Donnerstag, 29. Mai 2014

EPIKUR und die moderne Kosmologie. Seine Schriften sind elegant formuliert und intellektuell anspruchsvoll - dies macht wissbegierigen Menschen Freude - nur soviel zur Harmlosigkeit deutscher Buchtitel...







Alle drei abgebildeten Bücher gibt es bei Amazon zu erwerben - die "Philosophie des Glücks" sogar die Gesamtausgabe in einer e-Book Kindle-Edition. Das Buch von D. Laertius enthält Epikurs naturphilosophischen "Brief an Herodotos" in voller Länge. Diogenes Laertius - Von dem Leben und den Meinungen berühmter Philosophen (Kindle Edition), darin 10es Buch.

Randnotiz zu Epikur
(Nachtrag vom Ende der 90er Jahre - aus meinen Jugendlektüren)

¨Lob Epicur´s. Die Weisheit ist um keinen Schritt über Epikur hinausgekommen - und oftmals viele tausend Schritt hinter ihn zurück.¨
Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente, Ende 1876 - Sommer 1877, 23(56)

Seit einigen Jahren lässt sich eine gewisse Bücherschwemme in der kosmologischen Literatur beobachten. Darunter sind Bücher von Stephen Hawkings, Harald Lesch und vielen anderen literarisch-tätigen Naturwissenschaftlern zu finden. Sie erwähnen pflichtschuldig alle Demokrit (460 - frühes 4Jh.v.u.Z.) und seine ihm zugeschriebene Idee des Atomismus, der Vorstellung von unteilbaren Teilchen als Grundbestandteilen aus denen alle Stoffe im Universum zusammengesetzt sind.

So weit so unvollständig. Da war ja noch etwas mehr als Demokrit. Epikur zum Beispiel. Dieser lebte 341 bis 270 v.u.Z.. und erweiterte den Atomismus des Demokrit entscheidend und ich würde mir mit dieser Randnotiz hier nicht Mühe machen, wenn nicht viele der Vorstellungen Epikurs an die Quantenmechanik oder die Relativitätstheorie des letzten Jahrhunderts erinnern würden, in der aktuellen kosmologischen Literatur aber so gut wie gänzlich unerwähnt blieben*.

Im folgenden zitiere ich aus dem Buch Epikur, ¨Philosophie der Freude¨ (Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1973). Dabei stelle ich den Zitaten, die Postulate der modernen Physik zur Seite, die mir am ehesten zu passen scheinen. Dabei möge jeder für sich und je nach Grad der eigenen naturwissenschaftlichen Kenntnisse beurteilen, inwiefern hier von echten Parallelen gesprochen werden kann, oder ob es sich dabei um Fehldeutungen meinerseits handelt.

¨Brief an Herodotos¨ S.75ff
(Ja - es gab eine Zeit, da war Philosophie so wichtig, dass man sich Briefe zu diesem Thema schrieb.)

¨Vor allem ... muß man sich einprägen, was den Bezeichnungen, die wir gebrauchen, zugrunde liegt, um alles Vermutete, Umstrittene oder Bezweifelte darauf zurückzuführen und daran nachprüfen zu können, sonst gerät durch uferlose Erklärungen alles in Verwirrung und wir führen nur leere Worte im Munde.¨

Vielleicht ist das auch als Seitenhieb auf den Platon-Schüler und Großsystematiker Aristoteles und dessen allzu großen Willen aus einzelnen Erkenntnissen ein Gebäude des Wissens zu errichten gemeint. Aber ist Erkenntnis ein festes Gebäude? Kann sie es sein, wenn sie doch nur erzielt wird durch beständige Prüfung an der Erfahrung und an allem Veränderlichen der Natur um uns? Ist es nicht eher ein Gebäude, das sich immer wieder errichtet, umgestürzt, umgebaut und neu errichtet wird? Und diese Metapher des Gebäudes, die nicht unbedingt eine Metapher von Aristoteles ist, aber als Metapher betrachtet und geprüft fragen wie diese nach sich zieht: dient Erkenntnis nur Gegenständen, "Gebäuden" aus der Sphäre des Wohnlichen und Bewohnbaren? Können und dürfen wir nur Bewohnbares erkennen? Ist unser ganzer Erkenntnisapparat nur dazu fähig? Ist auch die Kosmologie eine eingeschränkte und unsere Spezies allein betreffende Philosophie des erweiterten Interrieurs? (Diese eingeschobenen Fragen führen hier jedoch zu weit.) Epikurs Auffassung weist uns an sich schon weit genug in die Zukunft zu Galilei, zu dessen wissenschaftlichen Geboten von Nachprüfbarkeit und begrifflicher Klarheit: ¨Messen, was messbar ist, messbar machen, was noch nicht messbar ist.¨ Dies gilt sowohl für technische Apparaturen, wie für die zur Erklärung verwendete Sprache. Messapparatur wie Sprache muss auf nachprüfbaren Ergebnissen gründen. Frei nach Epikur zurückführbar und nachprüfbar sein - sonst ist das Ergebnis ¨Verwirrung¨ oder schlicht ohne Bedeutung.

Postulat von der kaum vorhandenen Stofflichkeit, Materialität des Lichts - Epikur sagt dazu ¨Zartheit¨.

Hier wird nicht in einfältiger Subjektivität von den Wirkungen des Lichts auf Gefühle geredet, sondern konkret von dessen Beschaffenheit und Materialität. Dies ist wichtig zu erwähnen, um das übliche Verfahren ein für allemal zu unterbinden und zu unterbrechen, das aus Epikur einen gute-Laune Philosophen machen will. Das heisst natürlich nicht, dass er nicht ein gute-Laune Philosoph war - nur ich vermute, die meisten, die sich zu ihm gut gelaunt gesellen, hätten bald Probleme seinen geistigen Launen zu folgen und bald keine so gute Laune mehr. Also nochmal: Licht ist ein Stoff, dessen Gewicht wesentlich leichter ist als andere Stoffe - Epikur sagt nicht nur "Zartheit", sondern wie wir gleich sehen werden "unüberbietbare" Zartheit, also extreme Leichtigkeit (die Gefühligen unter uns bitte ich an dieser Stelle nicht gleich an Berührung zu denken) - heute weisen wir dem Licht außer Wellen- auch Materieeigenschaften zu - geben ihm jedoch die Masse 0.

Epikur: ¨Ferner - es gibt Abdrücke, die den festen Körpern gleichgestaltet sind, jedoch durch ihre Zartheit weit verschieden von den Dingen, die durch sie wahrnehmbar werden. ... Diese Ausformungen nennen wir Abbildchen (Eidola).¨

Postulat der Lichtgeschwindigkeit als Konstante, wie sie die Relativitätstheorie auch formuliert.

Epikur: ¨Ihr Flug durch das Leere durchmißt, wenn ihm nichts entgegentritt, an das er anprallen könnte, jede erdenkliche Entfernung in unvorstellbar kurzer Zeit, und was uns an ihm wie Verlangsamung oder Beschleunigung erscheint, ist in Wirklichkeit nur das Vorhandensein oder Fehlen eines Hindernisses.¨

Zuletzt konnte man von Experimenten hören, in denen es gelungen sei, Lichtwellen bis auf wenige Meter pro Sekunde abzubremsen. Auch dies scheint in diesen Sätzen faszinierenderweise enthalten zu sein.

Postulat der Lichtgeschwindigkeit als der größtmöglichen Geschwindigkeit im Kosmos.
Epikur: ¨Sodann - dem Gedanken, daß die Abbilder von unueberbietbarer Zartheit sind, widerspricht in der Erscheinungswelt nichts. Deshalb auch ist ihre Geschwindigkeit unüberbietbar, da jedes den für es passenden Durchgang hat, ...¨

Ebenso der Ansatz des Postulates, dass elektromagnetische Felder, die bewegliche Elektronen, in den Synapsen unserer Gehirnwindungen erzeugen (Elektronen haben Masse, sind langsamer als Lichtquanten, erzeugen aber ein elektromagnetisches Feld, das sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet...) etwas mit diesen Eidola und ihrer Geschwindigkeit gemeinsam haben.

Epikur:: ¨Auch ist zu sagen, dass die Abbilder in Gedankenschnelle entstehen. Der Strom von der Oberfläche der Körper her ist nämlich ein unaufhörlicher, auch wenn er wegen seiner ständigen Wiedernachfüllung keine ins Auge springende Kenntlichkeit besitzt.¨

Es gibt auch heute wenige Literaten unter den Naturwissenschaftlern, die ein elektromagnetisches Feld so plausibel beschreiben könnten.

Korrigierend und die ansetzende Euphorie etwas dämpfend muss man feststellen, dass Epikur die Eidola nicht für Strahlen hielt, sondern für äußerst zarte materielle Gebilde, also mit einiger Flexibilität in der Übertragung von Bedeutung für Gebilde, die gleichsam mit einem hermeneutischen Rückfallzieher formuliert den materiellen Charakter des Lichts ausmachten. So können diese Eidola überhaupt in unserem Auge oder Geiste einen ¨Abdruck¨ der äußeren Welt und ihrer Gegenstände erzeugen. Das Licht als elektromagnetische Welle, als Lichtstrahl vergleichbare Wirkungen durch Übertragung von Energie haben könnte lag wohl außerhalb des Denkbaren für die damalige Zeit.

Epikur (S.85): ¨Die Außendinge selbst können ihre Wesenheit in Gestalt und Farbe nicht ... durch die ... Luft ... (und) auch nicht vermittelst irgendwelcher Strahlen ... wohl aber (als) gewisse gleichfarbige und gleichgestaltige Abdrücke...¨ auf uns übertragen.

(Was er unter "Strahlen" versteht erfahren wir leider nicht.)

Die Abbildung der äußeren Welt im Inneren des Menschen erschien stets als materielle Vorstellung eines ¨Abdrucks¨, dessen Bewegung freilich unfassbar schnell sein müsste, dessen Materialität entsprechend unfassbar "zart". Doch gerade wegen dieser unmythologischen, wisseschaflichen Einstellung alle Phänomene durch nachprüfbare und von jederman nachvollziehbare Erfahrungen zu beschreiben gelang es Epikur ein physikalisches Weltbild zu formulieren, das eine zusammenhängende Welt beschreibt, die unseren Sinnen kohärent erscheint, die auch unabhängig von jedem Bewußtsein ein Kontinuum darstellt. Eine Welt, aus der niemand fallen kann, kennt natürlich keinen Himmel und keine Hölle und ja nicht einmal den Tod.

Epikur: ¨Der Tod ist für uns ein Nichts, denn was der Auflösung verfiel, besitzt keine Empfindung mehr. Was aber keine Empfindung mehr hat, das kümmert uns nicht.¨ (S.51)

Es mutet an, um zu seinem Weltbild zurückzukehren, als würde er uns 2.000 Jahre vorauseilen und eine klassische Feldtheorie formulieren, wenn er auf S. 85 schreibt:

¨Die Abdrücke besitzen eine große Geschwindigkeit, sie sind es, die uns darum die Vorstellung von dem einen, zusammenhängenden Ding liefern und die Empfidung von dem ihnen zugrunde liegenden Gegenstand festhalten, entsprechend dem mit ihm übereinstimmenden Eindruck, der von dort her infolge der Atomenschwingung im Innern des festen Körpers hervorgerufen wird.¨

Hier will ich ein vorläufiges Ende dieser Randnotiz setzen. Mögen Berufenere als ich diesen Ansatz weiter verfolgen.


Post Scriptum:

Ich kann mich nicht enthalten diesen Hinweis denn doch zu geben. Vielleicht wirkt die Klarheit epikureischer Logik inspirierend auf diejenigen Naturwissenschaftler, die sich den Kopf über dunkle Materie, dunkle Energie und die Strukturelementne des ganzen Universums zerbrechen.

Epikur (S.80ff.): ¨Das All ist unendlich. Denn was begrenzt ist, hat ein Äußerstes, doch kann ein Äußerstes nur durch Vergleich mit etwas anderem wahrgenommen werden. (Neben dem All läßt sich aber nichts wahrnehmen.) Da das All also kein Äußerstes hat, hat es auch keine Grenze, und da es keine Grenze hat, so dürfte es wohl unendlich und unbegrenzt sein.

Das All ist sowohl nach der Menge des Körperlichen wie nach der Größe des Leeren unendlich. Denn angenommen, das Leere wäre unendlich, das Körperliche jedoch begrenzt

(Aufgepasst! Hier geht es um das Verhältnis der Größe des Raums, von uns aus gesehen eines auch ins Unendliche expandierenden Raums und der Menge der Masse, die entweder konstant oder nicht konstant und daher abnehmend oder zunehmend gedacht werden kann. Bei einer Äquivalenz aus Masse und Energie wäre das Postulat der dunklen Energie ein zusätzliches Postulat von einer unbenannten Masse, bzw. Materie neben der ohnehin unbefriedigenden ¨dunklen Materie¨, die erst Recht mehr Verwirrung als Klarheit über unsere Wahrnehmungen erzeugt und daher anzuzweifeln wäre),

dann würden die Körper nirgends verharren, sondern im unendlichen Leeren zerstreut umherfliegen, da sie nichts fänden, das sie stützen könnte oder das ihnen beim Abprallen Halt böte.¨

Hier befinden sich wie im Keime beginnende Ahnungen eines Begriffs der Gravitation, wenn von ¨stützen¨ die Rede ist und des Begriffs ¨Wechselwirkung¨ vgl. starke und schwache Wechselwirkung, da die Körper trotz des Abpralls beim Zusammenstoßen laut Epikur "Halt'' finden.

In heutiger Terminologie: positiv geladene Teilchen, sich eigentlich abstoßende Protonen, die durch die starke Kernkraft zusammengezogen werden. Ein Zusammenhalt trotz Zusammenstoß und Abprallen der Atome. Das formulieren Physiker heute sicherlich, präziser, geschickter und vor allem formalistischer, aber ich hoffe ich konnte andeuten, was gemeint ist.


*Eine (noch) nicht weiter beachtete Ausnahme bildet hierzu die meisterlich angefertigte Seminararbeit des Arne Traun (2010, Universität Wien), nachzulesen unter http://sammelpunkt.philo.at:8080/1918/
Sie trägt den Titel ¨Der epikureische Atomismus - Auf den Spuren der modernen Physik¨, der ich an Wissenschaftlichkeit und Systematik nicht nacheifern darf und deren Inhalt ich bis zu diesem Zeitpunkt nur überflogen habe, da meine Gedanken zu Epikur bereits seit Jahren eine einsame Existenz in diversen digitalen Speichermedien fristen. Ich verdanke diesem jungen Wissenschaftler jedoch eine starke Ermutigung, meine Auffassung zu Epikur wenigstens für wenige Freunde und Bekannte, die meinen Blog kennen, zu veröffentlichen.



Keine Kommentare: