Montag, 24. Juni 2013

Die verspätete Rezension zur Historie der Musik

oder warum Jean Michel Jarre keinen Fuß mehr in die Tür bekommt.
Zur Vorgeschichte der Musik, ihrer Urgeschichte vom Urknall angefangen, die selbstverständlich als ontologische Grundbedingung bis heute andauert, will ich mich nur kurz äußern. Asymmetrien führen zu Resonanzen, das Universum entsteht als schwingendes inhomogenes Etwas und in dieser Inhomogenität steckt "Musik", diese Inhomogenität ist "Musik", ist Sein, die Existenz selbst. – Deswegen fühlen wir uns so verloren ursprünglich, wenn wir plötzlich aus dem Takt geraten… unsere inhomogene Abkunft wird uns schlagartig bewusst und wir schämen uns, ohne es recht zu verstehen.

Kurz nach dem Beginn von allem machen sich Troubadoure durch die Provinzen Frankreichs auf dem Weg Gesänge voller Erregung und Sehnsucht anzustimmen. Seit den frühesten Zeiten brauchte man Musik um sich am Leben zu fühlen, war ein Leben ohne Musik ein "Irrtum".

Unromantische Wissenschaftler begannen bald darauf die kreislaufregulierenden Effekte von sensorischen Reizen, die über Schallwellen von (Klang-) Körper zu (Klang-) Körper übertragen werden zu erforschen. Wenn nicht, so sollten sie dies bald tun. Anlässe darüber hätte es schon unzählige gegeben seit den Gesängen des Orpheus in der Unterwelt, den Sirenen des Odysseus, um ganz zu schweigen von den Regelungen des Hormonspiegels von Menschen in der Neuzeit durch kollektive Hysterien ausgelöst von Kastratenstimmen, Sopran-, Tenor- und sogar Baßstimmen, Klavier- und Violinvirtuosen, Walzerartisten und nicht zu vergessen: die Beatlemania.

Sollte ich noch erwähnen, dass kein einziger Gott oder selbst die Buddhisten, die keinen Gott kennen ohne das Lock-, Intonations-, taktile und mentale Koordinationsmittel Musik auskommen? Jede Art von Trancezuständen, die durch Atmen, Summen, kehliges Oberstimmen-Oszillieren, Refrains, zu Trommeln kreisenden Suffis, den monotonen Singsang der einseitigen Lyra, der einen zum Wahnsinn treibt, außer natürlich die entzückten Naturvölker des südlichen Balkan und Nahen Ostens gehört zum entsetzlichen Ausmaß des Phänomens – hier ist ein Halt geboten.

Aber springen wir endlich zur Hauptfrage: Was macht die klassische Musik so wehrlos? Wodurch konnte sich bei den meisten Menschen die Pop-Kultur und die dazu passenden unzähligen Stilrichtungen populärer Musik durchsetzen? Diese Entwaffnung wurde durchaus durch die klassische Musik selbst, wenn nicht durch die niederschmetternden Erfahrungen zweier Weltkriege eingeleitet.

Die Menschen hatten massenhaft kollektive Erlebnisse von Brüchen, Traumata höchsten Ausmaßes, Verlusterlebnisse schlimmster Art von Angehörigen, Gewissheiten und Heimaten, die auch nur eine Sonderform von Gewissheit waren und sind zu bewältigen. Diese Erlebnisse konnten sich in den musikalischen Harmonien, zusammengesetzt aus den Geschichten und Geschichtchen von unzähligen Abfolgen von Kriegen und den immer darauf folgenden erlösenden Waffenstillständen des 18. Und 19. Jahrhunderts nicht mehr wiederfinden und ließen sich somit nicht in die Tradition musikästhetischer Selbsterfahrung einreihen. Ich unterscheide nicht zwischen Erlebnissen und Menschen, da Menschen die Tiere mit einer bestimmten Typologie von Erlebnissen sind, Erlebnisse, die sie als "Menschen" erkennbar machen und nichts weiter.

Die Notwendigkeit jedenfalls zum Umbruch, zum Heraustreten aus einer Hauptströmung wurde also unumgänglich. Dieser Bruch mit der bisherigen psychopolitischen, psychoästhetischen Existenzweise fand musikalisch auf dem Schlachtfeld des Rhythmus statt. Der Rhythmus unterbricht schon aus Prinzip, schon in seiner wesentlichen Funktion das musikalische Unisono, sein Schicksal ist damit existenzielles menschliches Schicksal – er strukturiert das musikalische Kontinuum des Lebens. Nennen wir es so: der Rhythmus ist eine Art musikalischer Heimat, die durch Unterteilungen trennt, differenziert, Identität stiftet, schöner gesagt, die das Feeling des Menschen über die Good Vibrations vermittelt. Damit war es aber spätestens nach dem Ende des 2. Weltkriegs erst einmal vorbei. Es konnte nicht wie bisher gelebt, genossen, gehört werden. Nicht zufällig drehten sich fortan alle Diskussionen in allen Gesellschaftsschichten um das richtige "Lebensgefühl".

So war es der abrupte Wandel des Rhythmus als die fundamentale Kunst der Unterbrechung, der durchaus geistvollen, kunstvollen Unterbrechung - man denke da an Strawinskis "Le sacre du printemps", die große Kreise noch traditionsgebundener Hörer dazu brachte sich über den heraufbrechenden Siegeszug des Jazz im 20. Jh. zu empören. Man handhabte den Rhythmus nun künftig freier, synkopischer, entdeckte sogar den Ragtime bei Beethoven oder wollte ihn entdecken. Die Tragödie der infernalischen Weltkriege hatte mit zwei unerhörten Paukenschlägen sich freilich längst vollzogen – das Stück von Schlaf, Entwicklung, Befreiung, Aufklärung und grausamster Ernüchterung hatte sich bereits abgespielt und zu Ende gespielt – nur die noch Benommenen hatten zunächst Mühe dies zu erkennen.


Als Jean Michel Jarre die musikalische Weltbühne betrat mit den Alben "Oxygen" (1976) und "Equinoxe" (1978) und mit dem allerersten Anwenden der Samplingtechnik im Album "Magnetic Fields" von 1981 ein Jahr vor Tron und vor dem C64 faszinierte er durch Synthesizerklänge, die in ihrer Polyphonie die alte klassische Welt imitierten und beinahe parodierten. Stilistisch blieb er der Polyphonie treu und damit verharrte er zwischen den Welten der klassischen Musik und des Pop. Sein verzweifelter Versuch aus seinem ersten Album eine Modernisierung im Stil des Trance zu schaffen schlug im Jahre 1997 fehl und nahm seiner Musik ihre authentische Substanz, die eben aus der Mischung einer alten Architektur mit dem neuartigen synthetischen Klang bestand und bis heute so gültig ist. Dabei ist es bezeichnend, dass genau im selben Jahr 1997 das Schweizer Duo YELLO das stilbildende Trance Album "Pocket Universe" herausbrachte.

Und die klassische Musik? Unsere geliebte Klassik nach all den vielen Jahrhunderten ihrer Entwicklung bis zu ihrem vielleicht letzten großen Vertreter Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch (1906-1975) ist in Wahrheit Archäologie, genießbar immernoch, aber als Vergangenheit, während die heutige einzig verbliebene Kunstform in Tönen die Popmusik, eine Musik unserer postheroischen Zeiten, Musik des Ambientes, Ambient Music ist. Deren einzigartige ätherische Unberührtheit geht zum menschlichen Schicksal auf heilsame Distanz. Gruppen wie Nightmares on Wax oder Aural Float erlösen mit pulsierenden Rhythmen, Klangteppichen und schwerelosen Vokalen.

So bleibt mir am Ende weder eine dramaturgische, noch eine theatralische Geste zu einem abschließenden Resumée oder einer alles bezeichnenden Schlußfolgerung übrig. Die Überlegungen wiegen sich in der lauen Luft des Abends. Die Klänge verbleiben periphär und unverbindlich. Alles Konkrete ist als Maskerade aus den Tonstudios dieser Welt verbannt und die schönsten Klangfarben schmeicheln unseren empfindsamen Ohren.

Das Schicksal der Musik im Schnelldurchlauf

Es gab eigentlich genug Leute, die auch vor mir am Schicksal der Musik gelitten haben. Aber wenn die Musik ein Schicksal hat, sollte man sich schon ein paar Gedanken machen, was ihr Schicksal mit dem Schicksal der Menschheit verknüpft, wo es Korrelate gibt und wie weit die gegenseitige Verwobenheit geht.

Eine "Temperatur der Geschichte" sollte auch das musikalische  Biotop aus menschlichem Körper, menschlichem Ohr und Klangraum untersuchen und zwar so weitgespannt wie möglich und pointiert wie nötig.

Ich will vom 12. Jh. beginnen und im 20. Jh. enden bei Jean Michel Jarre, Aural Float usw.

Heute Abend ist das Ding im Kasten - pardon im Blog.
:-)

Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik hat längst stattgefunden!



Meine Antwort an Nietzsche

Diese Tragödie fand statt, als sich die Musik langsam aber sicher seit dem 12. Jahrhundert von ihrem rituell disziplinierten Daseinszustand des Kirchengesangs kontinuierlich über die Renaissancemusik, den ersten Opern Monteverdis, der Musik des ganzen Barock hinaus und hinauf zur absoluten Musik der Klassik und Romantik emporhob.
Vielleicht hätte die ganze Epoche der Renaissance nicht stattgefunden ohne die musikpsychologische Vorbereitung der menschlichen Seelen, die auf den Empfang des Ungewohnten, Faszinierenden und Überwältigenden musikalisch zuvor eingestimmt worden waren.
Die Dezimierung der Bevölkerung durch Seuchen ist die eine Sache, ist die Grundlage für das danach anbrechende Fest der Überlebenden. Dieses Fest als Triumph des Lebens über den Tod brachte die Notwendigkeit und das Momentum der anderen Sache mit sich, ohne die kein Fest zu machen ist: der Musik. Die Musik wiederum hat durch den Rausch der Sinne den Geist aus der scholastischen Zwangsjacke entfesselt. Incipit Tragoedia.

Sonntag, 23. Juni 2013

TRON und TRON Legacy - als wir noch von der digitalen Welt als einer Vollkommenheit träumten

Das waren noch Zeiten. Die PCs, vor allem die Markteinführung des C64 und der erste Tron Film fallen ins selbe Jahr 1982. Im nach hinein betrachtet muss es wohl ein magisches Jahr gewesen sein. Das frisch anbrechende Computerzeitalter übte eine derartige Faszination aus, während es sich in die Wohnzimmer der künftigen User mit exponentiell wachsenden Mengen von Accessoires Kabeln, Mäusen, Anschlüssen, Monitoren, Floppy Disks, Bedienungsanleitungen, Programmieranleitungen in Basic einnistete, dass jeder simple Nutzer sich zum megalomanischen "User" aufplustern konnte. Bald waren auch schon die ersten einfachen Rechenprogramme und Grafikprogramme geschrieben. Das Gefühl die neue Welt zu beherrschen wich jedoch langsam der wachsenden Erkenntnis, dass die technologische Entwicklung schneller war als das eigene Gehirn. Also hieß es sanft ausweichen in Nischen, die ein Maß an beherrschbarer Technologie boten. Diese Nischen bevölkerte schon bald ein regelrechter Zoo aus Usern: Spieler, Programmierer, Designer, Chip-Konstrukteure, Informatiker, Medienwissenschaftler, Netzwerkmanager und die einfachen Schreibmaschinenschreiber- und Multimedia-Nutzer wie ich – alle Experten auf ihrem Bereich, doch Niemand Herrscher über das Ganze – selbst Tron lebte einen Traum und lief als Programm letztlich zu den Usern über.

 Heute läuft nun Tron Legacy, der zweite Teil im Fernsehen. Er handelt von einem zerbrochenen Traum, den Traum, den jede neue Technologie in uns erzeugt, so wie wir uns von jeder neuen Erfindung die Lösung aller Probleme wünschen – die Rede ist von der Vollkommenheit als aufkommender Sehnsucht, als Begleitphänomen alles Neuen, eine Vollkommenheit, die es in einem sich entwickelnden Ganzen nicht geben kann, in der selbst dies Ganze immer eine Fiktion darstellt. Vollkommenheit als Idee ist eine Ermüdungserscheinung derjenigen, die nicht mehr zu folgen bereit oder willig oder fähig sind und nicht etwa ein operativer Begriff von großen Erfindern, genialen Künstlern und Konstrukteuren, die sich selbst und ihr Werk alles andere als vollkommen ansehen. Incipit Tragoedia.

Samstag, 22. Juni 2013

Der Übergang vom Fragilen zum Monumentalen

Nach meinem letzten Posting sind Jahre vergangen, Jahre, die den zornigen "jungen" Mann, der sich an der Schärfe der eigenen Aussagen berauschte, verwandelt haben.
Hier wollte ich nicht so viele Worte machen. Es geht um einen neuen, coolen, durchdachten Zugang zu Licht und Farbe, zu Sinn und Bedeutung.
So wie Europa vom Fragilen zum Monumentalen sich entwickelt, so entwickeln sich Gewohnheiten ästhetisch und architektonisch in ein Ensemble des Wirklichen.
Willkommen im globalen Interrieur.

(Auf den Bildern seht ihr Sonia Nowosielska auf dem Vorplatz der Gemäldegalerie in Berlin.)