Freitag, 27. Oktober 2006

Neues von der akademischen "Elite" Deutschlands


Kritik der Ketten-Email „Mit Liebe ist alles moeglich.“

"Du musst diese Mail an 10 Leute schicken, vergiss es nicht!!! Glück braucht jeder Mensch. Wenn dich jemand mag oder liebt wird er alles tun, um dir in jeder Situation zu helfen! Wenn du diese Mail an 10 liebe Menschen schickst, wird dir heute um 22:00 Uhr etwas Gutes widerfahren und in 4 Tagen erfährst Du wer dich liebt!"
(Mehr will ich daraus nicht zitieren - schliesslich will ich den Schund nicht noch weiter verbreiten...)

Warum 22:00 Uhr und nicht 22:02 Uhr?
Warum 4 und nicht 3 Tage?
Warum 10 und nicht 11 Leute?
Warum glauben die Menschen, dass das Gute immer von den Guten kommt?
Warum glauben die Menschen, dass das Glück eine einfache Erfüllung eines Wunsches ist?
Warum glauben die Menschen, dass alle ihre Probleme sich lösen lassen, einzig und allein indem sie jemanden finden, der sie liebt?

Wie oberflächlich und primitiv seid ihr alle zusammen, die ihr diese Email vermehrt und weiterschickt vom einen zum anderen?

Die Bestandteile der Email sind so pseudo-christlich und genau aus diesem Grund, wenn wir das Christentum als eine Pseudokultur der „heiligen Lüge“ (wie jede andere Religion übrigens auch) begreifen, echt christlich:

1. Symbolismus mit dem ältesten und archaischten Mittel, mit Mengen und Zahlen
2. Gebrauch der grossen Bedeutungen, ohne aber diese zu begreifen: Freundschaft, Liebe, Glück
3. Das Versprechen der Freiheit, aber wenn wir uns nicht so verhalten, wie man uns empfiehlt, dann erwarten uns diverse Strafen…


1. Wir dienem dem, was wir nicht verstehen – das ist die Basis jeder Mythologie. Schon die vorsokratischen Philosophen im 5. u. 6.Jh. v.u.Z. hatten sie überwunden, doch ihr kümmert euch noch um Zahlenmagie: 22:00 Uhr, 10 sec, 4 Tage. Hattet ihr etwa statt Mathematik-Unterricht Zahlenmystik in der Schule? Wir dienen also denen, die unsere Wünsche, Ängste, die wir alle haben und nach deren Lösung wir suchen, organisieren. Es gibt also die Händler mit einfachen Lösungen – die Ideologen aller politischen und religiösen Bewegungen. Den meisten genügen die einfachen, die mit einfacher Arithmetik abzählbaren, epiphanen (sichtbaren) „Lösungen“ und für diese zahlen wir das meiste. Der grösste Teil des Konsums fällt in diese unmögliche Kategorie. Zählbares Geld und unzählbare gesellschaftige Anerkennung schenken wir den Händlern, die sich professionell und substanziell mit unseren Fragen (an das Leben) beschäftigen. Es ist euer Recht zu unterstützen, wen immer ihr wollt, aber beschwert euch im nachhinein nicht, wenn ihr mit Abgaben und Steuern gemolken werdet, die ihr nicht versteht und nicht wollt. Beschwert euch nicht, wenn es Gesetze gibt zum Wohle weniger und nicht vieler. Beschwert euch nicht, wenn sie euch zum töten schicken zum Wohle des Erdöls und anderer gesellschaftlicher Güter. Ihr habt natürlich auch die Wahl zu sagen: zum Teufel (und den Teufel selbst zum Teufel) mit den fertigen und einfachen Lösungen, in den Müll soll jede Email der gemeinsamen Hoffnung und des gemeinsamen Glaubens an irgendetwas und lasst uns jeder einzelne für sich herausfinden, welche Gedanken und welche Taten die richtigen in seinem, im eigenen Leben sind.

2. Die Freundschaft, also die gemeinsame Basis zweier Menschen, die sich verstehen und unterstützen hat einige Voraussetzungen. Die wichtigste Voraussetzung: das Interesse für den anderen, die Persönlichkeit des anderen ist in dieser Email nicht vorhanden. Was ist für die Freundschaft zu einem Menschen getan, wenn ich ihm eine Email schicke, die von einem unbekannten geschrieben worden ist? Erst Recht verrate ich damit die fundamentale Gleichgültigkeit für das Leben und Denken desjenigen, an den ich die Pseudo-Nachricht sende, da ich aus ausschliesslich egozentrischen Absichten, die mich als unreif und unwürdig der Freundschaft ausweisen, handle indem ich ihm einen Text schicke, der nichts persönliches von mir oder ihm enthällt.
Hier ist also der Beweis, dass zumindest derjenige, der diese Email verfasst hat, keine Ahnung von der Freundschaft hatte, die Bedeutung und die Substanz, die Praxis der Freundschaft nicht verstanden hatte. Er wollte einfach Freundschaft und Glück und Liebe und ich weiss nicht was er noch alles wollte, wie jemand, der im Supermarkt Werte zu kaufen sucht, Werte, die er nicht versteht und auf diese Weise unweigerlich enttäuscht werden wird, ganz gleich was er in seinen Einkaufskorb hineinlegt.

3. Es gibt Menschen, die es bereits als Strafe betrachten, dass sie gezwungen sind jeden Tag zu essen und zu trinken, aufzustehen und zu arbeiten jeden Tag. Für andere fühlen sich wiederum manche Gefühle wie eine Strafe an, für andere manche Gedanken oder alle Arten von Gedanken. Betrachten wir es recht und gut, dann erkennen wir, dass die Strafen die negativen Bilder unserer Lüste, und zu befriedigenden Bedürfnisse darstellen und daher unvermeidlich sind. Es wird sich immer irgendjemand finden, der uns für eine bestimmte Lust zu bestrafen sucht, nur weil er sie nicht mit uns teilt, nur weil er ihr negatives Bild besitzt, das ihn als Strafenden auf den Plan ruft. Meistens sogar bestrafen wir uns selbst, wenn die Befriedigung einer bestimmten Lust ausbleibt. Was ist also das Wesen der Strafe? Das Vorhandensein eines Mangels oder die Einbildung eines Mangels, zuweilen die blosse Ahnung, dass etwas fehlt... Selbstredend, dass bestimmte Handlungen auch fehlen können. Wenn mir und euch in dieser Email also mit Unglück gedroht wird, falls wir ihre weitere Verbreitung nicht befolgen, dann ist das wohl so als ob man mir mit einer Erkenntnis droht. Mich bedrohen aber keine Erkenntnisse – ausser vielleicht die Erkenntnis eigener Dummheit. Ausserdem nimmt mir jede weitere Erkenntnis die Angst. Und ich habe keine Angst, wenn ich erkenne, dass in einem Schreiben von Liebe und Freundschaft die Rede ist und gleichzeitig ich gezwungen sein soll Regeln zu befolgen, die nichts mit Liebe und Freundschaft zu tun haben. Ausser vielleicht: es kommt dem Verfasser nur auf eine diffuse Verbreitung eines kollektiven Regelwerks an und nicht auf seinen praktischen Sinn. Diese Mail wurde am Ende für die Orientierungslosesten unter den Orientierungslosen geschrieben, denen jede Regel, sei sie noch so widersprüchlich und unsinnig, Recht ist, weil sie haltlos im Datenstrohm unseres Zeitalters treiben.

Statt also Angst durch diese Email zu bekommen, oder gar sie verbreiten zu wollen oder zu müssen, kommen mir ein paar
schöne Paradoxien in den Sinn:

Was geschieht, wenn genau das entgegengesetzte Verhalten das Glück bringt, das gute Geschehen? Zum Beispiel: Lies die Email und schicke sie an niemandem weiter! Halte sie geheim! Oder: gehe in den Zoo und predige sie den Vögeln und den Affen. Oder: Drucke sie aus und falte aus dem Papier einen Flieger der Hoffnung... Wo gibt es eine Regel, die auch nur eine dieser möglichen Nutzungsformen dieser Email verbietet oder verhindert? Findet sich vielleicht diese Regel an den Grenzen der Fantasie derer, die diese Email verschicken?

Ich empfehle euch eure Fantasie nicht zu zerstören und zu vernachlässigen, indem ihr diese monotonen automatischen Handlungen auf der Arbeit oder in euerer Freizeit im Internet ausführt. Die automatischen Handlungen haben nur einen einzigen Sinn: sie helfen dem Gehirn sich vom vielen Denken zu erholen, aber meine Lieben - ihr müsst noch eine lange Weile nachdenken, bevor ihr auch nur wagen dürft euch so viele automatische Handlungen zu gönnen...

Habt ihr meinen Humor verstanden?
Ich hoffe es für euch.
Aber vielleicht seid ihr alle bis auf den Schöpfer der „Mit Liebe ist alles möglich“-mail unschuldig an ihrer Verbreitung und sie hat sich automatisch verschickt. Dann darf ich mich vielleicht wegen meiner philosophischen Banalitäten bei euch entschuldigen?
Eins dürfte aber selbst den Begriffsstutzigsten von euch klar geworden sein: mit ein paar Mausklicks erreicht man gar nichts.

Samstag, 7. Oktober 2006

Die nackte Wahrheit über die 80er Jahre

Soll ich euch etwas über die 80er Jahre des 20en Jahrhunderts erzählen? Sie bestanden aus einer Unmenge schlechtem Sex und einer Unzahl von schlecht frisierten und universell geschmacklosen Idioten und Idiotinnen, die ständig über Beziehungen sprachen, während sie das Denken simulierten. Ich weiss wovon ich spreche. Ich war deren Beichtvater. Sie haben mir alles erzählt. Ich habe es überall bestätigt gefunden, ob sie es sagten oder verschämt verschwiegen – mir ist nichts entgangen.
Hinter der Fröhlichkeit, hinter der Nachdenklichkeit, hinter der esoterischen Frömmigkeit erblickte ich immer wieder das Nichts. Tausend Idioten mit einer Million Masken und sie hatten nie genug Masken, nie genug Hinterhöfe und Kellerräume, in denen sie die Wahrheit über sich verstecken konnten, um sich im grellsten Tageslicht ihre Lügen zu präsentieren. Und wie gesagt – sie haben mir alles gestanden. Ich habe direkt in ihre emotionalen Abgründe geschaut. Hinter dem unaufhörlichen Redeschwall ihrer überfärbten, verfärbten, ausgefransten Worte und Begriffe fühlte ich eine Erschütterung. Mir war als bebte mein Universum, als würden mir meine Gedanken, vor meinen Augen vernichtet durch eine verwöhnte und verdorbene Brut von zwei bis drei Generationen vor und nach mir.
Sie sprachen von Schönheit über die sie nichts wussten. Sie wagten lauter unmögliche und unsinnige Urteile über Kunst, Kultur und den Geist ohne Kriterien für ihre Urteile zu besitzen. Gnade den Kindern, die diese Menschen geboren haben. Und wenn diese Kinder diese Zeilen je zu Gesicht bekommen, dann sollen sie sie besser verbrennen – das rate ich ihnen. Lesen sie sie doch, dann wird ihnen ihre Existenz nicht mehr schmecken, denn ich werde ihnen mit jedem Wort beibringen Ekel und Abscheu über ihre Herkunft zu empfinden.
Ihre Eltern – sie ahnten nichts von den Ideen und den angeblichen Visionen, die sie hatten und wussten noch weniger über die Ursachen ihrer Gedanken und Handlungen und bildeten sich ein verantwortlich sein zu können, für sich, für andere und für die ganze Welt. Überall flogen die Feuerwerksblumen in die Luft und überall sah man sprühende Höhepunkte der Gutgläubigkeit, Scheinheiligkeit, der dümmsten Heuchelei von Menschen, die nicht einmal wussten ob sie lügen oder nicht.
Gierig waren sie – das war ihre höchste und offensichtlichste Tugend. Gierig nach Grösse, nach Zukunft, nach Sex und sie bildeten sich allen Ernstes ein, Macher und Gestalter und Entwickler der Menschheit zu sein, während sie ihre unkontrollierbare Gier mühevoll durch wohl-klingende Worte zu verbergen suchten. Dabei befanden sie sich in der höchst peinlichen Situation von gut genährten Proleten, denen eine Bibliothek und die grössten Kunstschätze der Menschheit über Nacht zum Geschenk gemacht wurden und die jetzt verzweifelt versuchen damit irgend etwas anzufangen.
Aber wieso beschränke ich mich auf die 80er Jahre – besser wäre es ich nehme die ganze zweite Hälfte des 20en Jahrhunderts in meine Abrechnung hinein. Das waren 50 verlorene Jahre für die Kunst, für den Geist, für jeden Anspruch auf die Ehre zu einer bedeutenden Zivilisation zu gehören.
Ich sehe sie, wie sie ihre kleinen und grossen Ärschchen in den Diskos und Parties wackeln. Ich sehe sie mit ihrem entsetzlichen bunten Fummeln an ihren trainierten Körpern, dem Glitter auf Backen und in den Haaren, geschminkt wie ein Haufen betrunkener Komödianten durch Wohnungen, Straßen und Städten torkeln, wie sie als Touristen den ganzen Globus nerven und von einer künstlerischen Moderne, einer religiösen Ökumene schwafeln, dass alle Heiligen sich am liebsten noch einmal opfern würden – wenn es denn einen Sinn gehabt hätte. Sie waren dumm und sie waren wollüstig. Sie waren naiv und belesen – damit ergab sich das Verhängnis einer fundamentalen Selbsttäuschung. Sie machten alles mögliche, ohne in der Lage zu sein alles mögliche auch zu verstehen. Sie selbst waren lauter personifizierte Verschwendungen von Kraft, von menschlichem Potential. Also kam es, wie es kommen musste: sie betrieben den Ausverkauf iherer eigenen Kultur. Sie setzten Diktaturen in ärmeren Ländern ein, um ihre Demokratien im Westen gegen den Kommunismus zu stärken. Sie erhoben pathologische Schwachköpfe wie Beus auf dieselbe Stufe wie Michelangelo. Sie erfanden schlichte Melodien, die jedes Volkslied beleidigen und verglichen ihre Musik mit der von Bach oder Beethoven. Der Exzess der Gewalt von zwei Weltkriegen hatte den Exzess an menschlicher Dummheit zur Folge.
Ich begrüsse euch, ihr neuen Europäer, ihr Überlebenden eueres eigenen Infernos! Glaubt ihr, das ihr auserwählt wurdet und deswegen überlebt habt? Glaubt ihr, dass die besseren, fähigeren von euch überlebt haben?
Alles was fühlen konnte und leben wollte, aber unter diesen apokalyptischen Umständen nicht konnte, ist verreckt und ihr seid nur der Rest, der dumme Rest, der grob genug fühlte, feige genug sich verstecken konnte, der anspruchslos genug in eine neue Zukunft aufzubrechen bereit war. Seid stolz, wenn ihr noch stolz sein könnt. Aber ihr sollt wissen und aus meinem Munde erfahren wie wertlos ihr seid! Versucht es vor euch zu verbergen. Versucht es zu verstecken. Und trotzdem wird der Gestank euerer Dummheit aus jeder Poore dringen. Eure medialen Organe, die sich wie die Tentakeln einer riesigen Krake um den Planeten schlingen und sich an ihm festsaugen – sie erzählen die Geschichte eures Verfalls. Ihr hofft die Erde und die Völker zu umarmen, aber euere Umarmung ist auch eine Lüge – in Wahrheit ist sie ein Würgegriff, der dem Griff eines ertrinkenden zum Erschrecken ähnlich sieht.
Käfige brauchen Menschen, die die Freiheit kennen. Doch ihr wart nicht einmal eines Käfigs würdig. Ihr habt euch den ganzen Planeten einverleibt und wundert euch, wo euere Hoffnungen und euere Ideale geblieben sind.

Kehren wir von der Totalen zur Misere eines Indivduums zurück. Ich sehe ein Seelchen von euch in der Ecke eines Sofas sitzen. Ich sehe euch eine schüchterne Unterhaltung führen über dieses und jenes. Das Gespräch handelt einmal auch von der Politik und alles, was sich in euren Köpfchen regt ist Verblüffung und eine dumme Frage: „Aber dürfen die das?“ Als ob es euerer Erlaubnis bedürfe, damit irgendetwas geschieht, als hätte euere Meinung, euer Wesen Gewicht in der Welt – ihr loosen Blätter im Herbst der Menschheit. Euer Wichtigtun korrespondiert aufs köstlichste mit euerer einfältigsten Ohnmacht.
Ihr trennt euren Müll und wollt die Natur retten, aber nur für euch, denn zugleich trennen euere Regierungen den Rest der Menschheit zwischen nützlich und unnützlich. Ihr kleinen harmlosen Parasiten schwafelt von Ehrlichkeit und Moral und kauft euch an der nächsten Ecke eine Versicherung gegen das Unrecht euerer eigenen Existenz, klammheimlich und kleinmütig hoffend von Zweifeln und Anklagen verschont zu werden.

Freitag, 6. Oktober 2006

Wiedereintritt in die Atmosphäre



Glühende Worte... einst hatten Worte Farbe, Rhythmus und Melodie.
Das einzige, was heute glüht sind Schutzschilder von Weltraumfähren und die geschmolzenen Erze in unseren Hochöfen weltweit. Belausche ich aber meinen Nachbar oder irgendeinen Bekannten nach einem glühenden Wort höre ich meist ein langes Nichts. Mir fehlt die Musik in der Sprache und eine Sprache in der Musik.
Die Extremfälle unter meinen Bekannten und Freunden und diese Extremfälle sind mir die liebsten sind geradezu menschliche Meisterwerke in zwei fundamental entgegengesetzte Richtungen: sie ergeben Zerreisspunkte zwischen vollkommener Anpassung und vollkommener Abkehr. Natürlich ist die Anpassung am sichtbarsten und der Widerstand, die Abkehr ist höchstens zwischen den Zeilen zu lesen, kommt allenfalls in brillianten Formulierungen aus dem Off. Aus diesem Off werde ich mich nun regelmäßig melden, um die allzu gefällig wiederkehrenden Raumfähren zurück in die Dunkelheit des Universums zu schicken...