Sonntag, 29. Juni 2014

KOSMOS - Aufbruch ins All, Poesie für den Weltraum



Aufbruch ins All

Unsere Rakete steht bereit.

Ihre Triebwerke krachen und dröhnen.
Wir haben uns für hohe Ziele gezündet.
Müde betrachten wir die alte Erde
Ein letztes Mal, eine letzte Umdrehung
Und dann stürzen wir hinaus ins All –
Leb wohl blauäugiger Planet!

Uns ging eine Welt verloren,
Als wir die Umlaufbahn verließen
Zum Fluge sind wir auserkoren
Doch nicht im dünnen Seidenkleid
Gehauchter Atmosphären

Gefiederte Genossen und Vögel aus Metall

Reminiszenzen sind‘s wie der Gesang der Nachtigall
Die ganze elende Geschichte -
Erschaffe neu und neu vernichte
Zerstoben sei‘s und ausgehaucht!

Den Erdkreis überlassen wir dem Papst
Doch legen wir ihm Fesseln an aus Wissen.
Soll sie nur schleppen Seiner Hölle-Last
Während wir im All unsere Fahne hissen

Den Verwaltern allen Kummers
Sei folgendes gesagt im Vers:
Gelitten wurde viel und wird noch werden
Geschmacklos ist es Macht auf Leid zu gründen
Drum hütet euch vor Menschen mit Geschmack!

Kopfüber springen wir zur Ewigkeit
Und werden Spiel der Wellen
Dort warten sie im Schlund der Zeit
Auf uns: die Tore fremder Welten!

(SINGULARITÄT)

Blind regiert die Galaxie
alle zerstreuten Massen
Schaut rückwärts in die Zeit
Ernährt von Sonnen

Gefeiert wird im Augenblick
zugleich Anfang und Ende
Die Quelle trinkt das Licht,
Macht alles kehrt und stumm.

Eine große Hand greift -
Sie schwärzt den Himmel
Ein großer Wille nimmt,
Was ihm nicht widersteht.

Das All – ein wilder Ozean,
Der an der Atmosphäre brandet.
Küste sind Erde und Mensch -
Ein Fischerboot im Sternenmeer!

Das Leben – ein Flüstern der Unendlichkeit.
Hört jemand sein Poltern und Klopfen?
Gegen den Cocon der Planetenhülle?
Wann wird es einst schlüpfen?
Das erste Sternenkind!


Liebe in Höhen

Das Licht der Sonne
Fällt auf dein Haar
Verwandelt es in Gold
Doch nicht Metall
Bist du Geliebte
Du bist
Ein rascher Pinselstrich
In den Farben der Erde
Mit dem Blau des Himmels
Getränkte Leinwand
Ein Duft und Wohlklang bist du
Wie eine Brise im Frühling

Du bist aus einem Stoff,
Der dies Schiff durchdringt
Durch aller Schichten Dichte
Und mühelos mir Kunde bringt
Von warmen Nachmittagen
Und singenden Vögeln im Park

Die Magnetosphäre schützt
Uns auch an diesem Morgen
Sind wir doch orbital umschlungen
Auf himmlischem Planetenbett
Was kümmern uns Ionenstürme!?
Die Liebe ist eine Fermate des Alls.


Der Engelssturz der Dionysos

Durch Ewigkeiten irrend und verlacht
In Erdenjahren unzählbar und fern
Taumelt der Engel von Stern zu Stern

Fortschritt durch Lust und Wandel durch Feuer
Vom Licht verfolgt als Ungeheuer
Gejagt bis ans Ende der Zeit

Die Anmut wurde ihm vom Leib gerissen
Die Zartheit im Hinterhalt zerbissen
Sein Geist ward dumpf und träg

Durch Sternenhaufen, Galaxienbändern
Auf der Planeten Ödnissen und Rändern
Geröll und Staub im fasrigen Blick

So flieht er ins Wüste, Leere und Kalte
Und dehnt das All und die Zeit, dia alte
Bis er allein nur übrig: verdampft!



Das Licht der Stadt erfüllte einst den Raum,
Der so den Sinnen neue Nahrung gab.
Das Land erschien nunmehr als Traum
Von fernsten Zeiten an.

Die Freunde konnten bald nicht folgen.
Sie blieben dort, wo kleine Gassen
Und große Wälder die Menschen
Ganz besonders wärmen…

Doch unser Licht am aktuellen Tage
Ist aller Sonnen und aller Welten Licht
Ein Licht, das mit der Nacht vermählt ist.
Und wo einst Nacht war und Schrecken
Ist jetzt nur Licht, nur Licht
und etwas Schatten!

Die Sonnen brennen von überall.
Sie fegen weg die dunkle Zeit.
- Mit sanftem Strahlungsdruck
Liebkost ihr Blick das All
Und nur noch Tölpel glauben
an zarte Finger…

Sonntag, 22. Juni 2014

... auf dem Weg zu einer Feldtheorie der Gesellschaft

     


Entweder es kommt etwas von der Rampe auf uns zu und springt uns gleichsam an oder wir sind schneller und wir erklimmen die Rampe und springen heraus aus unserem Garten, Park, heraus aus unserer Nische – hinein in den Kosmos!

Nachdem ich mich des leidigen Themas Griechenland mit viel Verwandlungsbrimborium entledigt habe, finde ich nun endlich die Muße für wirklich wichtige Fragestellungen. Wer oder was bestimmt, welches die richtigen „Verhältnisse“ für einen Menschen oder gar für ein Volk sind? Nach welchen Kriterien findet diese Bestimmung statt? Entscheidet letzten Endes alles die Physik im Bunde mit der Biochemie – die Strömungslehre mit der Koevolution von Natur und Kultur?

Dazu kann nur eine „Feldtheorie der Gesellschaft“ ansatzweise Antworten liefern. In Ihr kann es nicht anders sein, als dass Zoologie und Anthropologie, Ökologie und Ästhetik Paarbindungen eingehen, die den einzelnen Menschen, wie ganze Völker in ihren natürlichen Lebensräumen, ökologischen und kulturellen Nischen besser verstehen lernen.

Fortsetzung folgt…

"Rausch der Verwandlung" - die Auflösung eines Rätsels


Es ziehen Wolken auf, das Schiff befindet sich auf ¨hoher See¨ oder zumindest auf einem großen Wasser mit genügend Abstand zum Land. Die Farbe des Himmels gibt meine Stimmung wider: sie ist etwas metallisch, doch nicht kalt. Das Wasser und das Schaukeln des Bootes halten die Gedanken beweglich und bei Laune.

Mein Thema ist die Auflösung eines kleinen Rätsels, das ich, angeregt im Sommer 2013 von der Auslegeware meines Buchhändlers in Kavala (Küstenstadt in Nord-Griechenland), hier in den ¨Raum¨ gestellt habe als Allegorie zur aktuellen Situation zwischen Staats- und Finanzkrise in Griechenland. Damals sah ich Stefan Zweigs posthum veröffentlichten Roman ¨Rausch der Verwandlung¨ an exponierter Stelle im Schaufenster des Buchladens und dachte mir, was will mir mein Buchhändler außer das obligatorische ¨kauf und lies es!¨ sagen?


Die Sache verlangt nach einer kurzen Darstellung - das Land kommt näher und der Hunger lässt sich bald nicht ignorieren. Es bleibt uns nur Zeit für wenige Gedanken.


Stefan Zweig bezeichnete seinen nicht veröffentlichten Roman prosaisch als ¨Postfräuleingeschichte¨ - ein Wink, das er an der höheren Bedeutung dieses Werks zweifelte oder steckt mehr dahinter?


Die Geschichte, die im Buch erzählt wird, ist eine Geschichte eines gesellschaftlichen Aufstiegs einer jungen Postassistentin durch lügnerischen Betrug in den Adelskreisen Wiens. Dabei steigt sie ausgerechnet in eine gesellschaftliche Klasse in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auf, die nach dem 1. Weltkrieg 1918 eigentlich untergegangen ist. Hierbei erweist sich selbst die Leiche einer politisch ehemals relevanten Gesellschaftsschicht noch als zu gefährlich für den einzelnen Menschen. Steckt schon hierin etwas Doppelbödiges, abgrundtief Ironisches, aber Unausgesprochenes? Etwas, das nicht für das Bewusstsein bestimmt, dass psychisch wie physisch unerträglich ist und daher unbewusst bleibt und bleiben muss? Steckt hierin etwas, dass selbst der Schöpfer dieser Geschichte und vor allem er, Stefan Zweig selbst, nicht wissen durfte?


Es gelingt der einfachen Angestellten durch geschickte Verstellung sich unter den Adel zu mischen und somit über ihre gesellschaftlichen Verhältnisse zu leben. An dieser Stelle setzt wohl eine Parallele an zur Entwicklung Griechenlands innerhalb der Europäischen Union, das ebenfalls über seine „Verhältnisse“ gelebt zu haben scheint, an.


Der Eintritt Griechenlands in die EU, ohne einen funktionierenden Rechtsstaat im Jahr 1981 und die Einführung des Euro im Jahr 2000 ohne die Stabilitätskriterien zu erfüllen mit Hilfe von gefälschten Staatsbilanzen erfüllt den hinreichenden Tatbestand einer Systematik von Täuschungen, um Teil einer Gemeinschaft zu werden, für die einem die Voraussetzungen fehlen, für die man nicht reif genug, nicht genug entwickelt ist - weder als Gesellschaft, noch als politisches System*. (Wobei hier nicht verschwiegen werden darf, dass für die Aufnahme Griechenlands mehr strategisch geopolitische Erwägungen die ausschlaggebende Rolle gespielt haben dürften.) Die Parallelen zur erschlichenen Zugehörigkeit unserer Postangestellten liegen auf der Hand - sie ist weder psychologisch (gesellschaftlich), noch geistig (politisch) der adligen Schicht gewachsen.


Unsere Postangestellte wird alsbald entlarvt (für Griechenland ist diese Entlarfung als Offenbarungseid der drohenden Zahlungsunfähigkeit spätestens seit 2010 bekannt geworden) kehrt zurück in ihr altes Leben auf dem Land, von dem sie nun gänzlich entfremdet ist. Sie hält jedoch das Leben auf dem Land nicht aus und zieht zurück nach Wien (Griechenland führt nicht die Drachme wieder ein und tritt nicht aus der EU aus, sondern bleibt in beidem, trotz mangelnder Eignung), lernt einen Mann kennen, der als Kriegskind seine Kindheit verloren hat. Sie beschließen einen gemeinsamen Selbstmord, weil sie vom Leben, das sie hatten oder haben wollten zu viel und zu schnell verloren haben, ohne die Fähigkeit sich an die wechselnden Zustände zu gewöhnen. Eine wirklich sehr unangenehme, unbequeme Geschichte.


Die Unfähigkeit zur Anpassung resultiert aus einer relativ überhöhten Veränderung von Lebensbedingungen und bringt alle involvierten Kreaturen schnell in existenzielle Not. Sie erzeugt Anpassungsdruck und -stress, der bei sensibleren Naturen lebensgefährlich werden kann und in jede Form von Psyche oder Stoffwechsel hinein wirkt. Stefan Zweig fühlte sich existenziell bedroht durch die politisch-sozialen Veränderungen in Europa und wählte vielleicht zur Abwehr der Gefahr den Diminutiv als Begriff, eine Untertreibung, das Understatement, um mit seiner Angst vor der heraufkommenden Gefahr fertig zu werden? ¨Postfräuleingeschichte¨, will meinen - es ist nicht so schlimm, keine ernsthafte Geschichte, eher ein Geschichtchen und daher halb so wild, nur eine von meinen vielen Geschichten, aber dann... sehen wir entsetzt durch den Doppelselbstmord Zweigs und seiner Frau im Jahr 1942 in Petropolis (Brasilien), wie ihn ausgerechnet dies Geschichtchen einholt… als seine verborgene Realität und tödliche Wahrheit: eine kulturphilosophische Deprivation neuen Typs?

Die heutigen Griechen sind pessimistisch bis ins Mark. Sie wissen, was sie alles falsch machen und dennoch geben sie nicht sich die Schuld, sondern allen anderen - außer den eigenen Parteien auch und vor allem dem Ausland. Wie ist solch eine kollektive Verdrängung möglich? Die Unfähigkeit sich als verantwortlich relevante Größe in ihrer Argumentation einzubringen bedeutet im Grunde, dass sie sich selbst bereits als politisch irrelevant und unmündig ausgeschlossen haben. Insgeheim ist es natürlich die Angst vor dem Untergang, aber eine lähmende Angst, weil die Kraft dagegen anzukämpfen fehlt – in Formel: man kann ja doch nichts tun. Dies kann selbst für ein ganzes Volk tödliche Konsequenzen haben. Die zahlreichen „failed states“ überall auf der Welt, als neue Kategorie in der modernen Terminologie für gescheiterte Staatsbildung und die akute Krise in der Ukraine zeigen allzu deutlich, dass niemand einem Volk seinen Staat schenkt – es muss schon selbst wollen, sonst ist mit ihm kein Staat zu machen.


Selbstkritik kommt zwar überall vor, doch nur als hohle Phrase – nirgends als echte Überzeugung, die Verhaltensänderung bewirkt. Diese Handlungsschwäche, diese radikale politische Apathie kann nur durch eine lange Gewöhnung an Ohnmacht, an Niederlagen, an politische Unmündigkeit entstanden sein. Eine Routine und lange, generationenübergreifende Kette von Katastrophen und Erschöpfungszuständen führte zu einer Tradition und Folklore des Zurückweichens, Versagens, Nachgebens - ein Blick auf die griechische Geschichte nach der Eroberung durch die Römer erklärt dies zur Genüge: wenn die Griechen etwas können, dann das Vergangene und Untergegangene, die ehemalige Größe beweinen und anhimmeln – in der politischen wie in der privaten Sphäre. Sie beleihen Ihr zerbrechliches Ego der heutigen Gegenwart von der glorreichen, mittlerweile fernsten Vergangenheit in der Antike. Diese Leihgaben geschehen oft auf recht geringer Bildungsgrundlage als Farce und eitle Maskerade, so dass deren Anblick gelegentlich sehr unappetitlich werden kann.


Die Entfremdung mit sich selbst, von der eigenen Lebenswirklichkeit ist so fundamental, wie im Roman „Rausch der Verwandlung“, wie am Ende des Lebens von Stefan Zweig. Die Griechen sind in Griechenland ausgeschlossene Staatsbürger, Ausgewiesene im eigenen Land - kein Wunder, dass zwar nicht sie, aber ihr Land stirbt...


War sich Zweig am Ende selbst in der Emigration ein Fremder im eigenen Leben geworden? War sein heroischer Pazifismus mithin von Anfang an ein Symptom von einer wie auch immer gearteten persönlichsten Schwäche? Ging es deshalb für ihn, trotz finanzieller Absicherung, doch nicht weiter? Werden die Griechen weiter machen bis Ihr Staat auseinanderbricht oder finden sie am Ende doch einen eleganten Ausweg aus der selbstverschuldeten Ohnmacht?


Tatsächlich gibt es im Roman eine Alternative zum zunächst geplanten Doppel-Selbstmord der Postangestellten und ihres Freundes. Sie beschließen stattdessen einen Postraub zu begehen und danach zusammenzuleben – mit diesem Beschluss endet der Roman. Sie beschließen weiterzuleben, aber um den Preis des Ausschlusses von der bürgerlichen Gesellschaft. Wie Griechenland, das sich Geld am Kapitalmarkt so lange leiht bis es zahlungsunfähig ist und von der internationalen Finanzwelt mit Ausschluss bedroht wird, weil es seine Kredite nicht mehr bedienen kann. Aber die Kredite nicht mehr bedienen können kommt einem Raub des geliehenen Geldes am Gläubiger sehr nahe. Und was geschah? Es kam genau zu diesem (Post-)Raub an den Gläubigern durch schrittweisen Schuldenerlass unter dem Deckmäntelchen von EU-Hilfsprogrammen.


Und plötzlich vermögen wir einen heiteren Zug in der Szenerie der Ereignisse zwischen Roman und Wirklichkeit zu entdecken: eine Gemeinschaft, ein Paar, eine Staatengemeinschaft, die EU wie sie aus gemeinsamen Interessen angetrieben, Hand in Hand auf Beutefang nach Geld geht, einem Geld, das gleichsam mit der (elektronischen) Post Grenzen überschreitet, um von diesen oder jenen Gesellschaften eingefangen und genutzt zu werden, geraubt und transformiert zu werden, verwandelt in etwas, das wir Leben nennen.


Ich habe ein Jahr gebraucht, um das zu beschreiben, was ich damals als "Rausch der Verwandlung" in einem Griechischen Buchladen verstanden habe.