Donnerstag, 15. März 2007

Eberhard Roters "Malerei des 19. Jahrhunderts"

Keine blosse stupide Beschreibung der Malerei und ihrer Stilrichtungen liegt in diesem Werk vor. Sein Thema ist die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins einer ganzen Epoche! Es handelt sich um zwei Bände, die ich in einem Wühltisch in einem äusserst unbedeutenden Einkaufszentrum einer unbedeutenden kleinen Provinzstadt in Deutschland entdeckte. Ich versteckte sie sofort unter den üblichen Bücherschund, damit kein anderer etwa diese brilliante geistige Schöpfung mir, bevor ich vom Geldautomaten zurück käme, wegkaufen konnte. Indes die Gefahr wahr nicht wirklich gross. Unverkäuflich und als "Mängelexemplar" weit unter Preis angeboten lag es da, um von dem offenbaren Mangel dieser Gesellschaft zu künden, die mit solch einem Buch nichts mehr anzufangen weiß.

Sein Autor - ein wahrhaft universell gebildeter Mensch - unternimmt es die geistigen und künstlerischen Triebkräfte des für Kunst, Kultur und Wissenschaft so ertragreichen 19. Jahrhunderts darzustellen und dass es ihm sogar gelingt und mit welcher Meisterschaft des Wortes, des Stils ist unwiderbringlich glanzvoll!

Kommentar der Neuen Zürcher Zeitung bei Amazon:

"Seine «Bewusstseinsgeschichte» des 19. Jahrhunderts entwickelt Roters in sieben grossen Kapiteln nicht als lineare Erzählung, sondern als motivgeschichtliches Panorama. So ist ein lesbares Werk entstanden, obwohl die schliesslich veröffentlichten Bände insgesamt annähernd 850 Seiten umfassen, die kaum jemand von vorne bis hinten in einem Zug lesen wird. Statt dessen ist es möglich, sich aus den grossen Blöcken einzelne Abschnitte herauszugreifen und sich etwa mit dem «Bild des Wissenschafters» zu beschäftigen oder die Geschichte der Selbstinszenierung Napoleons im Bildnis zu verfolgen. Weitere Abschnitte behandeln die romantische Seite des Jahrhunderts, Traumbilder nach Ossian, das Problem einer Kunst des Erhabenen. Das dritte Kapitel widmet sich den «Wahrnehmungsveränderungen im Industriezeitalter». Im zweiten Band werden die «Mythen» des 19. Jahrhunderts behandelt. Besonders lesenswert ist gleich der erste Abschnitt zu den Weltuntergangsbildern, die zu Beginn des Jahrhunderts in immer grösseren Formaten und mit enormem Erfolg in den Salons ausgestellt waren, heute aber kaum noch beachtet werden, wenn sie überhaupt noch in den ständigen Sammlungen der Museen zu sehen sind.

Neuentdeckungen und Überraschungen sind in Roters Buch wenige zu finden, denn auch die Maler der «anderen Seite» des Jahrhunderts sind inzwischen wissenschaftlich studiert und verschiedentlich in erfolgreichen Ausstellungen dem Publikum präsentiert worden. Manches ist aus Hofmanns «Das irdische Paradies» bekannt, einem Buch, das so anregend wie unübersichtlich ist. Weniger essayistisch als Hofmann geht Roters stets von der eingehenden Betrachtung einzelner «Schlüsselbilder» aus. Er nimmt den Leser auf einen Rundgang durch ein imaginäres Museum mit und erzählt von den bildgewordenen Mythen einer Zeit, die noch nicht ganz fremd geworden ist.

Die motivgeschichtliche Analyse will sich nicht auf die Nacherzählung der dargestellten Themen beschränken, sondern soll ihrer besonderen künstlerischen Umsetzung auf die Spur kommen und zugleich die «Kunst einer Epoche» als «Signatur im Erscheinungsbild eines kultur- und geistesgeschichtlichen Entwicklungszusammenhangs» verstehen. Immer wieder zieht Roters Philosophie und zeitgenössische Literatur zur Erläuterung einer Motivreihe, eines Themas heran, was zu langen Referaten führt, die nicht immer überzeugend auf die beschriebenen Bilder bezogen sind. Vorausgesetzt wird ein einheitliches Subjekt, die «Gesellschaft» einer Epoche, welche «aus den ihr angehörenden Individuen» bestehe. Doch ist dieses Subjekt wirklich so homogen, dass man ein gesamteuropäisches Epochenbewusstsein – oder Unterbewusstsein – voraussetzen kann, das sich in einer Art Psychoanalyse erfassen liesse? Es lassen sich wohl im historischen Rückblick «Ansichten» verschiedener Aspekte gewinnen, wie dies schon Dolf Sternberger vorgeführt hat, auf dessen Buch «Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert» (1938) sich Roters in der Einleitung bezieht. Das Bild des 19. Jahrhunderts bleibt uneinheitlich, möglicherweise aber nicht deswegen, weil das «Grundmuster» des Zeitalters seine «Gespaltenheit» wäre (Hofmann), sondern weil die Verhältnisse der europäischen Kultur des 19. Jahrhunderts zu komplex und zu differenziert sind, um in einer linearen «grossen Erzählung» ohne Rest aufgehen zu können.

So kann man es als Qualität anerkennen, dass auch Roters in einer offenen, ergänzbaren Form «Ansichten» der Malerei des 19. Jahrhunderts vorführt. Die Wahl der Standpunkte ist dabei gewiss nicht allein durch persönliche Vorlieben bestimmt; die Positionen sind stets wissenschaftlich fundiert. Im Sprachduktus ist allerdings die Persönlichkeit des Autors stets präsent. Roters ist sich seiner Sprachmächtigkeit sehr bewusst, und manchen Lesern mögen die gelegentlich pathetische Rhetorik und die nicht immer witzigen Aperçus missfallen, die in einem Essay oder im mündlichen Vortrag eher goutierbar sein mögen. Es ist anzunehmen, dass der Autor, hätte er die Drucklegung selbst besorgt, manche markige Interjektion oder rhetorische Eskapade noch entfernt oder gemildert, manchen Exkurs gekürzt hätte. Die Herausgeber haben davon verständlicherweise abgesehen, und man wird anerkennen, dass Eberhard Roters mit diesem umfangreichen Konvolut seine grosse «Unvollendete» vorlegte, wie Karl Ruhrberg im Nachwort bemerkt. Das Panorama eines Jahrhunderts als der Kindheit und Adoleszenz einer Epoche, deren Homogenität hier, auf andere Art als in der modernistischen Stilgeschichte, noch einmal behauptet, aber nicht auf eine simple These reduziert dargestellt wird.

Kurzbeschreibung
Dieses Werk bietet einen umfassenden Überblick über die Malerei des 19. Jahrhunderts in Europa und Amerika. Der Autor analysiert die hier vorgestellten Kunstwerke vor dem Hintergrund der maßgeblichen philosophischen, natur- und geisteswissenschaftlichen, technischen, soziokulturellen und politischen Entwicklungen der Epoche."

Samstag, 3. März 2007

Ankündigung

Wer sind die Europäer?
Das fragt Francis Fukuyama in der "WELT". Ich will ihm baldigst antworten...

"Amerika - du hast es besser" - dieser Spruch wird Goethe zugeschrieben. Womöglich lässt er sich korrigieren in "Amerika - du hast es einfacher", oder "Amerika - du machst es dir einfacher".

Zunächst nur eine Vorbemerkung: so lange es keinen Europäischen Staat gibt, ist es müssig von den "Europäern" zu verlangen sie sollten diesen hypothetischen Staat ernst nehmen oder gar gestalten.