Sonntag, 15. Juli 2007

Gedanken über die Staatlichkeit der EU

Francis Fukuyama hatte in der Zeitung "Die Welt" geschrieben und zwar über die anzustrebende politische Einheit Europas. Ich hatte mir vorgenommen darauf zu antworten.


Die zu beobachtende Staatenbildung in unserer jüngsten Vergangenheit, trägt vorwiegend atavistische Züge. Beim Zerfall der Sowjetunion zum Beispiel feierten zum größten Teil Nationalstaaten ihre Auferstehung, die es zuvor gegeben hatte, die sich viele Jahrzehnte zuvor bereits zur Nationalstaatlichkeit formieren konnten. Die andere Form der Staatenbildung das "nation building" ist in Wahrheit gar keine Staatenbildung, sondern ebenfalls ein Atavismus internationaler Politik: die Rückkehr zur Kolonialpolitik auf der Basis der Rohstoffbeschaffung und der folglichen Notwendigkeit einer globalstrategischen Positionierung (Militärbasen u.a.).

Bei aller Macht, die der Zufall besitzt, jede Gegenwart schwimmt auf einem zeithistorischen Fluidum, aus dessen Elementen die Möglichkeiten geschichtlicher Weiterentwicklung sich heraus formieren und demzufolge ihr Vorhandensein wenn nicht herauszulesen, so doch zu erahnen ist. Dieses Fluidum war ein anderes als sich die Nationen in Europa bildeten oder gar die USA zur Nation geworden ist. Es wäre zu bezweifeln, wenn nicht völlig auszuschließen, daß die USA zum Beispiel sich in unserer Zeit erneut als Nation in der Lage wären zusammenzuschließen oder sollte ich besser sagen: zusammenzuschiessen?

Die radikale Verkürzung sämtlicher Transportwege, einschließlich des Transports von Informationen und Kapital (Humankapital inbegriffen) führte zum Kollaps der Begriffe Grenze und v.a. Territorium. Die Territorialpolitik (bisher immernoch der beste Beweis, daß wir auch nicht mehr, aber auch nicht weniger als Tiere sind) konnte durch die Beweglichkeit des Waren- und Ideenaustausches und mit der damit verbundenen Durchlässigkeit der Grenzen unter den Bedingungen der schon immer bestehenden ungleichen Verteilung der geistigen und materiellen Ressourcen so nicht mehr aufrechterhalten werden. Sie mußte sich verwandeln. Da aber kein Staat ohne Territorium zu machen ist, sind auch die Bedingungen für eine Staatenbildung wenn nicht unmöglich, so doch unendlich schwieriger geworden.

Das gehässige Wort von der "Wegelagerei", das zuweilen als Metapher angewandt und schnell als Polemik abgetan wird, läßt allzuleicht die große Wahrheit dahinter übersehen: dass es fast nur noch Wege gibt und keine Orte von einer Haltbarkeit, die so relevant sein könnte, dass diese Orte sich zu verteidigenden Territorien gestalten ließen... Geschäfte wie Politik lassen sich nur noch von dem machen, der in der Lage ist Kontrolle über Waren- und Informationsströme auszuüben.
Diese Tatsache zusammen mit der empirischen Beobachtung der atavistischen Grundzüge moderner Nationenbildung, die ihre Kraft, wie der Begriff bereits sagt, aus in der Vergangenheit erreichten Formen schöpfen und keinesfalls den heutigen Bedingungen verdanken, führt mich zur Feststellung, daß sich in Europa nicht einfach aufs neue eine gesamteuropäische Nation bilden kann - und wenn noch so viele davon träumen sollten, es ist verdammt als solches ein atavistischer Traum zu bleiben, wie die Realität um uns beweist.

Bei den Analysten internationaler Politik spricht man bereits von der "Weltinnenpolitik" (die Nato betreibt sie bereits), was insofern richtig ist, da die Bedeutung der internationalen Ausrichtung der bestehenden Staaten im Verhältnis zum bisherigen Mehrgewicht der Innenpolitik jedes einzelnen Staates rasant zunimmt. Auch der europäische Zusammenschluß steht unter diesem globalem Vorzeichen und ist nicht etwa auf das Ziel einer europäischen politischen Einheit ausgerichtet - diese ist nicht der eigentliche Antrieb der Entwicklung. Möglicherweise ist die politische Einheit der subjektive Antrieb einzelner politischer Individuen, aber nicht der wirklich relevante gesamtgesellschaftliche Antrieb! Aber wie jede operierende Idee von Gesellschaft nimmt sie vor ihrer Entstehung in jedem Einzelnen ihre einzigartige verlockende Gestalt an, um selbst über Irrtümer und Umwege zu ihrem Ergebnis zu kommen.

Das "Territorium" Europas, das nur noch in Anführungszeichen ein Territorium sein kann, wird niemals die Grundlage für eine Nation darstellen können, sondern nur noch eine präexistente Form einer Weltstaatengemeinschaft, die ihrer internationalen Verortung gemäß ihre globale Vernetzung verteidigt und im Laufe ihrer Weiterentwicklung auch immer wieder neu beansprucht und beanspruchen wird. Weder die Hegemonialpolitik der USA ist in der Lage dies abzuwenden, noch die etwas konfuse, größtenteils rückwärtsgewandte Politik der arabischen und islamischen Staaten. Terrorismus ist als Phänomen schon immer eine Sackgasse in der Entwicklung von Ländern gewesen - niemals ein Akt eines politischen Neubeginns. Meines Erachtens gehört der Terrorismus der Neuzeit zu den letzten Zuckungen überholter Gesellschaftssysteme, die freilich noch sehr lange anhalten können und erst dann aufhören werden, wenn notwendige Reformen im Inneren dieser Länder erfolgt sind.

Die Weltstaatlichkeit (nicht zu verwechseln mit der Naivität vom Begriff der "Weltregierung"!) und die damit verbundene Unmöglichkeit sich aus der Weltgeschichte und aus der internationalen Verantwortung zu entziehen und zwar für keinen vorhandenen Staat scheint mir eine unvermeidliche Entwicklung zu sein. So wird auch China nicht einfach als international handelnder Akteur die Rolle der USA übernehmen können, denn mit dem Wandel der Zeit ändert sich auch die Rolle selbst. Man könnte präziser werden und formulieren, die Akteure als Subjekte werden anhand der möglichen Rollen, den Handlungsmöglichkeiten erst geschaffen. Wenn die USA eines Tages keine globale Hegemonialmacht mehr sind, wird es, so meine Vermutung auch niemand anderes mehr sein können. Die Zeiten als ein Volk oder Staat eine Möglichkeit sich zu entwickeln ergriff und ihm andere Völker/Staaten in dieser Entwicklung folgten sind womöglich insofern für immer vorbei, als die Entwicklungsmöglichkeiten zwar noch alle vorhanden sind, aber für Völker und Staaten als Akteure nicht mehr greifen. So wird möglicherweise die Zukunft das politische Zeitalter der Institutionen einleiten, deren demokratische Legitimation keine oder eine eher untergeordnete Rolle spielen wird. Was mit der "Demokratie" sebst geschehen wird, das ist die wirklich spannende Frage, die uns nur die Zukunft beantworten kann...

(Der Begriff von „Weltstaatlichkeit“ wird auch in einem Artikel von Prof. Matthias Alberts in der Zeitschrift „Das Parlament“ verwendet, wie ich nachdrücklich festgestellt habe und beschreibt, die vor territorialen Schranken nicht halt machende, internationale Rechtsbildung, deren Souveränität sich jenseits der Nationen speist.)

Samstag, 14. Juli 2007

Ein schönes Wochenende!

Ein schönes Wochenende euch Allen allüberall auf dem Planeten. Liebt ihr Messen auf Latein, dann liebt ihr vielleicht auch Portwein und wo euer Verstand nicht reicht, da reicht vielleicht euer...

Aber vielleicht sollten wir alle nur das gute Wetter genießen und träumen wir lebten in einer Welt von Freunden, in der wir alle nur zu Gast sind und uns gegenseitig besuchen, um unsere Seelchen zu streicheln.

Eine schlechte Nachricht, eine alte Nachricht: dem ist nicht so! - für manche eine neue, aber das will nichts heißen. Ich grüße euch und wer weiß...

Ehre, wem Ehre gebürt!


Cui honorem, honorem! Was mir immer wieder die größte Sympathie abverlangt ist das Wirken von Peter Scholl-Latour. Er erinnert mich immer mehr an Thukydides den großen Realisten unter den altgriechischen Historikern. Peter Scholl-Latour ist in der Lage zwischen aktuellen Nachrichten und Meinungen, gewohnheitsmäßigen Erklärungen, geschichtlichen Fakten, geopolitischen Interessen, guten Absichten und tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten des Handelns genau zu unterscheiden. Er hat seine Methode des Beobachtens politischer Konstellationen in ihrem soziopolitischen und historischen Kontext perfektioniert. In den letzten Jahren fiel mir auf, daß es Herrn Scholl-Latour immer schwerer fällt das oberflächliche Gerede seiner Gesprächspartner hinzunehmen. Er ist immer weniger bereit Plattitüden, Denkschablonen von Gutmenschen und sonstige grassierenden Naivitäten unseres Informationszeitalters, die lediglich den Mangel an Denken verbergen, im Raum unkommentiert als gleichwertige Äusserungen stehen zu lassen. Er hat als einer der wenigen den Mut um den richtigen Gedanken zu streiten und offen eine Gegnerschaft aufflammen zu lassen, die die meisten Redner irritiert, weil sie von einer festen Position spricht, zu der ein Geist ersteinmal die Kraft und Souverenität einer langen Vorbereitung und Übung des Denkens erworben haben muß. Die meisten seiner Diskussionspartner ahnen nicht einmal welche gravierenden Folgen es haben kann, wenn man lediglich mit guten Absichten bewaffnet in politische Auseinandersetzungen hineingeht, daß auch nur das bloße Ignorieren der Realität verhängnisvoll sein kann. Er sieht sich zunehmend von politischen Dilettanten umgeben und verliert immer öfter die Contenance und das zu Recht!
Ich vermute durch seine Beobachtung der unterschiedlichsten politischen Systeme weltweit sieht er sehr genau und mit Erschrecken wie sehr die Selbstbeweihräucherung, der Selbstbetrug der westlichen Demokratien und insbesondere derjenigen auf dem europäischen Kontinent (mit Ausnahme Frankreichs vielleicht) schon fortgeschritten ist und wie dilettantisch selbst das Führungspersonal unserer Staaten international agiert.

Montag, 2. Juli 2007

Mein Himmel über Berlin

Ich gestehe etwas verlegen: vom Morgenmuffel bin ich zum totalen Frühaufsteher mutiert. Was macht man, wenn man 5 Uhr morgens aufwacht und unmöglich wieder einschlafen kann? Ich fotografiere schon mal aus dem Fenster direkt nach oben...

Die "Unerträgliche Leichtigkeit des Seins" und "Die Unsterblichkeit" - so die Titel zweier meiner Lieblingsromane von Milan Kundera. Der erste spielt hauptsächlich in Prag, der andere in Paris. In beiden Städten wären diese Romane und ich meine natürlich ihre darin angesiedelte Handlung kaum noch möglich. Die Lebensbedingungen, die Menschen, die Verhältnisse, die Grenzen - diese Städte scheinen mir in den letzten Jahrzehnten eine allzu rasante Wandlung durchgemacht zu haben. Auf der Strecke blieb vielleicht die empfindliche Verbindung der Bürger mit der Vergangenheit, der angestammten Kultur ihrer Stadt. Eins der schlimmsten Beispiele für diesen Riss zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist sicherlich Athen und hier lässt sich sicherlich nicht nur von einem "Riss" reden, es handelt sich vielmehr um eine fundamentale Zerrissenheit zwischen antiker, christlicher, europäischer, orientalischer, demokratischer und byzantinischer Tradition - um nur das wenigste zu nennen. Einer meiner griechischen Lieblingsschriftsteller Nikos Dimou (Ein Philosoph und Werbefachmann) wählte dafür einmal den Ausdruck: "Graecus Ultimus Confusus". In welcher Stadt könnte ein von Haus aus Zerrissener, ein Grieche sich wohlfühlen? - Ihr ahnt es schon: Berlin. Genauso ergeht es vielleicht auch den Charakteren der vorhin erwähnten Romane Kunderas. Sie brauchen die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, den Klebstoff, der ihre Wunden, ihre Lücken, ihre Fehler und Sehnsüchte, ihre Träume zusammenhält. Sie würden sich in Berlin wohler fühlen als in Prag oder Paris...

Montag, 11. Juni 2007

The Eagle has landed!


The Eagle has landed. Die Zukunft hat begonnen. Noch Fragen?

Die Luft ist trocken. Der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren. Die Moleküle tanzen. Das Licht geht Schwanger mit neuer Materie. Noch Fragen?
Berlin ist die Stadt des real-existierenden hedonistischen Materialismus.

Sonntag, 27. Mai 2007

Berlin - wo sonst?


Ich darf feierlich verkünden, dass ich nun endlich nach ca. 10 jähriger Odyssee in Berlin angekommen bin. Hier seht ihr mich im "Oxymoron" bei den Hackeschen Höfen.

Dienstag, 10. April 2007

Der Glaube oder die Verkrüppelung des Geistes

Religionen sind Praktiken gesellschaftlicher und politischer Organisation, die in ihrem Wesen bildungs- und demokratiefeindlich sind. Sie sind im Grunde seit spätestens 300 v.u.Z. sämtlich überwunden und vom wissenschaftlich-ethischen Weltbild ersetzt worden.
Bedauerlicherweise gilt das nur für eine Minderheit von Menschen. Der grosse Rest (v.a. in Afrika und Südamerika) wird immernoch von imaginären Begriffen und "Glaubenswahrheiten" gequält, die nichts mit der Realität zu tun haben.
Nach unendlichen Rückzugsgefechten haben sich unsere Traditionshäuser des Aberglaubens, unsere katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen in eine quasi-aufgeklärte Nische der Gesellschaft zurückgezogen und eingenistet, um dort mit demonstrativer Toleranz und karitativer Tätigkeit das Marktsegment und beinahe Monopol für Moral und Ethik für sich zu beanspruchen. Sie schmücken sich mit Errungenschaften wie Humanität, Meinungsfreiheit und Menschenrechten gegen die sie die längste Zeit mit Feuer und Schwert vorgegangen sind. Ihre "Glaubwürdigkeit" erhalten sie nur durch gezielte Desinformation und durch die strukturelle Unbildung der Massen. Der Grund, warum sie Ungläubige oder Andersgläubige wie Giordano Bruno heute nicht mehr verbrennen, liegt darin, dass ihre Macht zusammen mit der des Adels vom aufgeklärten Bürgertum beschnitten wurde und nicht etwa an ihrer grundsätzlichen Wandlung. Den alten Adel beerbte der neue Geldadel - die Kirchen brauchten nur der Spur des Geldes zu folgen, um ihre Macht zu erhalten. Es entstanden die modernen "Demokratien", die in Wahrheit verkappte Geldaristokratien und Oligarchien sind. Die Kirchen in Deutschland schämen sich zum Beispiel nicht im geringsten den Staat als Geldeintreiber zu mißbrauchen.
Die illusionäre, falsche aber systematische Anwendung von Begriffen wie Freiheit, Wille, Glaube, Wissenschaft, Demokratie, Recht, Natur, Vernunft usw. ist immernoch dieser verhängnisvollen Tradition der religiösen Unbildung, die nichts anderes als ein in ein theologisches System eingebundener Aberglaube ist, geschuldet. Wer seinen Geist von tradierten Glaubensrelikten und jahrtausendealten begrifflichen Irrtümern reinigen möchte, der lese beim Humanistischen Pressedienst regelmässig nach...
Gläubige Menschen vertrauen letztlich gesellschaftlichen Organisationsmustern, die von ihren Religionen her autokratisch strukturiert sind und nicht demokratisch. Die Mehrheit ist nur dann gefragt, wenn sie bereits auf ein gemeinsames Dogma eingeschworen worden ist und nicht etwa aus gemeinsam gewonnenen und erstrittenen Überzeugungen frei denkender Menschen.
Wenn die Islamismus-Debatte einen Sinn gehabt hat, dann den Feind der Freiheit in den eigenen Reihen erkennen zu helfen: den Glauben. Solange unser Wohlstandvorsprung in Europa gegenüber den anderen Kontinenten vorhält haben wir nichts zu befürchten. Sollten aber eines Tages für das Leben härtere Bedingungen sich einstellen, werden die ortsansässigen Gemeinschaften von Gläubigen wieder mehr Macht beanspruchen - eine Macht, die mit dem Elend und der Unbildung der Massen proportional steigt und fällt. Schon jetzt ist ein Großteil der Schwierigkeiten den Kapitalismus zu reformieren der christlich-kalvinistischen Moral geschuldet, die allein über das Vehikel der Leistungsethik den Menschen suggeriert ein sinnvolles (früher: gottgefälliges) Leben führen zu können, ohne die Errungenschaften der Kultur einbeziehen zu müssen...
Wer an der Formierung des Widerstands gegen die Unbildung und die Stärkung der Wissenschaft, was immer auch eine Stärkung der Freiheit des Denkens bedeutet, teilnehmen möchte, der kann sich auch folgende Seite der Giordano-Bruno-Stiftung anschauen, die von namhaften Wissenschaftlern und Künstlern getragen wird.
Und ich will es hier ausdrücklich betonen: nicht unsere Gläubigen können und werden uns im Ernstfall vor den Gefahren des fanatischen Glaubens schützen! Nur unsere Liebe zur Freiheit des Denkens, unser selbstbewußtes Beharren auf unsere Kultur aus Kunst und Wissenschaft, das Festhalten an die wenigen demokratisch-legitimierten Institutionen werden uns die Kraft geben uns in einer Welt, die immernoch von der Barberei der aufhetzbaren Massen von Gläubigen gefährdet wird, zu behaupten!

Donnerstag, 15. März 2007

Eberhard Roters "Malerei des 19. Jahrhunderts"

Keine blosse stupide Beschreibung der Malerei und ihrer Stilrichtungen liegt in diesem Werk vor. Sein Thema ist die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins einer ganzen Epoche! Es handelt sich um zwei Bände, die ich in einem Wühltisch in einem äusserst unbedeutenden Einkaufszentrum einer unbedeutenden kleinen Provinzstadt in Deutschland entdeckte. Ich versteckte sie sofort unter den üblichen Bücherschund, damit kein anderer etwa diese brilliante geistige Schöpfung mir, bevor ich vom Geldautomaten zurück käme, wegkaufen konnte. Indes die Gefahr wahr nicht wirklich gross. Unverkäuflich und als "Mängelexemplar" weit unter Preis angeboten lag es da, um von dem offenbaren Mangel dieser Gesellschaft zu künden, die mit solch einem Buch nichts mehr anzufangen weiß.

Sein Autor - ein wahrhaft universell gebildeter Mensch - unternimmt es die geistigen und künstlerischen Triebkräfte des für Kunst, Kultur und Wissenschaft so ertragreichen 19. Jahrhunderts darzustellen und dass es ihm sogar gelingt und mit welcher Meisterschaft des Wortes, des Stils ist unwiderbringlich glanzvoll!

Kommentar der Neuen Zürcher Zeitung bei Amazon:

"Seine «Bewusstseinsgeschichte» des 19. Jahrhunderts entwickelt Roters in sieben grossen Kapiteln nicht als lineare Erzählung, sondern als motivgeschichtliches Panorama. So ist ein lesbares Werk entstanden, obwohl die schliesslich veröffentlichten Bände insgesamt annähernd 850 Seiten umfassen, die kaum jemand von vorne bis hinten in einem Zug lesen wird. Statt dessen ist es möglich, sich aus den grossen Blöcken einzelne Abschnitte herauszugreifen und sich etwa mit dem «Bild des Wissenschafters» zu beschäftigen oder die Geschichte der Selbstinszenierung Napoleons im Bildnis zu verfolgen. Weitere Abschnitte behandeln die romantische Seite des Jahrhunderts, Traumbilder nach Ossian, das Problem einer Kunst des Erhabenen. Das dritte Kapitel widmet sich den «Wahrnehmungsveränderungen im Industriezeitalter». Im zweiten Band werden die «Mythen» des 19. Jahrhunderts behandelt. Besonders lesenswert ist gleich der erste Abschnitt zu den Weltuntergangsbildern, die zu Beginn des Jahrhunderts in immer grösseren Formaten und mit enormem Erfolg in den Salons ausgestellt waren, heute aber kaum noch beachtet werden, wenn sie überhaupt noch in den ständigen Sammlungen der Museen zu sehen sind.

Neuentdeckungen und Überraschungen sind in Roters Buch wenige zu finden, denn auch die Maler der «anderen Seite» des Jahrhunderts sind inzwischen wissenschaftlich studiert und verschiedentlich in erfolgreichen Ausstellungen dem Publikum präsentiert worden. Manches ist aus Hofmanns «Das irdische Paradies» bekannt, einem Buch, das so anregend wie unübersichtlich ist. Weniger essayistisch als Hofmann geht Roters stets von der eingehenden Betrachtung einzelner «Schlüsselbilder» aus. Er nimmt den Leser auf einen Rundgang durch ein imaginäres Museum mit und erzählt von den bildgewordenen Mythen einer Zeit, die noch nicht ganz fremd geworden ist.

Die motivgeschichtliche Analyse will sich nicht auf die Nacherzählung der dargestellten Themen beschränken, sondern soll ihrer besonderen künstlerischen Umsetzung auf die Spur kommen und zugleich die «Kunst einer Epoche» als «Signatur im Erscheinungsbild eines kultur- und geistesgeschichtlichen Entwicklungszusammenhangs» verstehen. Immer wieder zieht Roters Philosophie und zeitgenössische Literatur zur Erläuterung einer Motivreihe, eines Themas heran, was zu langen Referaten führt, die nicht immer überzeugend auf die beschriebenen Bilder bezogen sind. Vorausgesetzt wird ein einheitliches Subjekt, die «Gesellschaft» einer Epoche, welche «aus den ihr angehörenden Individuen» bestehe. Doch ist dieses Subjekt wirklich so homogen, dass man ein gesamteuropäisches Epochenbewusstsein – oder Unterbewusstsein – voraussetzen kann, das sich in einer Art Psychoanalyse erfassen liesse? Es lassen sich wohl im historischen Rückblick «Ansichten» verschiedener Aspekte gewinnen, wie dies schon Dolf Sternberger vorgeführt hat, auf dessen Buch «Panorama oder Ansichten vom 19. Jahrhundert» (1938) sich Roters in der Einleitung bezieht. Das Bild des 19. Jahrhunderts bleibt uneinheitlich, möglicherweise aber nicht deswegen, weil das «Grundmuster» des Zeitalters seine «Gespaltenheit» wäre (Hofmann), sondern weil die Verhältnisse der europäischen Kultur des 19. Jahrhunderts zu komplex und zu differenziert sind, um in einer linearen «grossen Erzählung» ohne Rest aufgehen zu können.

So kann man es als Qualität anerkennen, dass auch Roters in einer offenen, ergänzbaren Form «Ansichten» der Malerei des 19. Jahrhunderts vorführt. Die Wahl der Standpunkte ist dabei gewiss nicht allein durch persönliche Vorlieben bestimmt; die Positionen sind stets wissenschaftlich fundiert. Im Sprachduktus ist allerdings die Persönlichkeit des Autors stets präsent. Roters ist sich seiner Sprachmächtigkeit sehr bewusst, und manchen Lesern mögen die gelegentlich pathetische Rhetorik und die nicht immer witzigen Aperçus missfallen, die in einem Essay oder im mündlichen Vortrag eher goutierbar sein mögen. Es ist anzunehmen, dass der Autor, hätte er die Drucklegung selbst besorgt, manche markige Interjektion oder rhetorische Eskapade noch entfernt oder gemildert, manchen Exkurs gekürzt hätte. Die Herausgeber haben davon verständlicherweise abgesehen, und man wird anerkennen, dass Eberhard Roters mit diesem umfangreichen Konvolut seine grosse «Unvollendete» vorlegte, wie Karl Ruhrberg im Nachwort bemerkt. Das Panorama eines Jahrhunderts als der Kindheit und Adoleszenz einer Epoche, deren Homogenität hier, auf andere Art als in der modernistischen Stilgeschichte, noch einmal behauptet, aber nicht auf eine simple These reduziert dargestellt wird.

Kurzbeschreibung
Dieses Werk bietet einen umfassenden Überblick über die Malerei des 19. Jahrhunderts in Europa und Amerika. Der Autor analysiert die hier vorgestellten Kunstwerke vor dem Hintergrund der maßgeblichen philosophischen, natur- und geisteswissenschaftlichen, technischen, soziokulturellen und politischen Entwicklungen der Epoche."

Samstag, 3. März 2007

Ankündigung

Wer sind die Europäer?
Das fragt Francis Fukuyama in der "WELT". Ich will ihm baldigst antworten...

"Amerika - du hast es besser" - dieser Spruch wird Goethe zugeschrieben. Womöglich lässt er sich korrigieren in "Amerika - du hast es einfacher", oder "Amerika - du machst es dir einfacher".

Zunächst nur eine Vorbemerkung: so lange es keinen Europäischen Staat gibt, ist es müssig von den "Europäern" zu verlangen sie sollten diesen hypothetischen Staat ernst nehmen oder gar gestalten.

Dienstag, 27. Februar 2007

DIE WERBUNG zwischen Produktion und Konsum

Dies ist ein kurzer Text gegen die oberflächlichen Kritiker allerorten (mich selbst inbegriffen). Wer die Werbung mit leichter Hand kritisiert und seinen Blick vor allem auf die Manipulation des Konsumenten, die Investitionspolitik des Unternehmens und damit die Profitorientierung richtet - der sieht nicht die Hauptsache des Phänomens. Werbung ist in erster Linie eine Methode zur Verteilung von Produkten an Konsumenten. Sie gehört zum allgemeinen Informationsprozess, der notwendig ist, damit die Ware von den Produzenten zum Konsumenten zunächst als Information und in der Folge als physische Ware gelangen kann.
Hier sollte man es auch unterlassen vorschnell von der "Überflüssigkeit" mancher Produkte und der Schaffung "künstlicher Bedürfnisse" zu schwadronieren. Man soll sich nicht notorisch selbst belügen - auch wenn es noch so schön ist. Denken wir mal ohne unsere geliebten Klischees nach: jedes Produkt, einmal geschaffen, steht nicht mehr zur Disposition, ob es geschaffen werden sollte oder nicht - es ist bereits geschaffen. Nur Magier können Dinge verschwinden lassen - kein Realist kann und darf es sich leisten den Magier zu spielen und eine Sache wegdiskutieren! Jeder, der das versucht hat, konnte sich bisher nur lächerlich machen, aber nichts an den Tatsachen ändern.
Doch wie verhält es sich mit einem Produkt, das zwar fertig produziert wurde, das aber keiner kauft und keiner irgendwie benutzen will - kann nicht wenigstens in diesem Fall von einer "Überflüssigkeit" gesprochen werden? Und wiederum muss man sich diesem Kritikerreflex verbieten - vorausgesetzt man ist fähig zu denken. Ein Blick auf den Produktionsprozess bringt leicht Klarheit. Der oder diejenigen, die das Produkt herstellten oder an seiner Herstellung beteiligt waren, haben geistige und körperliche Energie darauf verwandt, Herstellungsmethoden entwickelt (die auch für andere Produkte durchaus hilfreich sein können) um dieses Produkt innerhalb eines bestimmten Zeitraums herzustellen. Und siehe da: während des Zeitraums des Herstellungsprozesses ist ein Nutzen unmittelbar bei der Entstehung des Produkts entstanden, der unabhängig von seinem Erfolg oder Misserfolg auf dem Markt vorhanden ist.
Wir kommen also zum Ergebnis: im Herstellungsprozess bilden Produkt und Konsum eine Einheit. Erst ab Fertigstellung des Produkts entsteht eine Kluft zwischen der Ware (Produkt) und ihrer Nutzung (Konsum).
Zu diesem Verhältnis tritt nun als dritter Faktor die Werbung in vermittelnder Funktion hinzu. Was bisher wenige (Produzenten) machten, wollten - das sollen auch andere (Konsumenten) machen, wollen und also nutzen können. Es liegt auf der Hand, dass alle Formen kultureller Moden, tradierter identitätsstiftender Verhaltensmuster dieser Methodik folgen und letzlich für eine bestimmte Lebensweise im jeweiligen sozialen Kontext "werben". Nicht nur Waren können durch Werbung verteilt werden, sondern auch Verhaltensmuster.
Wir sollten uns also hüten das Phänomen der Werbung zu dämonisieren, da es um die existentielle Verteilung von Gütern und Verhaltensweisen in einer Gesellschaft geht. Das Politiker-Wort um die richtige Sache "werben" zu wollen sollten wir daher sehr ernst nehmen!

Handbuch der Heuchelei

Die Menschen denken, meinen, glauben - sie vermeiden jedoch tunlichst ihren Standpunkt vor allem sich selbst gegenüber tatsächlich offen zu legen. Es müsste schwarz auf weiss zu lesen sein auf Grund von welchen Tätigkeiten, welchen materiellen und geistigen Ressourcen hin etwas gedacht, gemeint und geglaubt wird.
Weil meine Beobachtungen schon weit fortgeschritten sind, würde ich gern ein Handbuch der Heuchelei schreiben. Das erste Kapitel müsste folglich die Heuchelei seines Autors behandeln, sonst würde es sich von vornherein aller Glaubwürdigkeit berauben. Und dies ist wohl auch der Grund, warum ich es vielleicht doch nicht schreiben werde...

Montag, 15. Januar 2007

Die Muse meine Herren! Ehrt mir die Muse!


Natürlich könnte ich jetzt einen unglaublich wichtigen und tiefgründigen Text über die Besonderheiten und Feinheiten des Zigarren-Rauchens fertig vorbereitet mitposten, aber wie ihr seht bin ich noch am Geniessen und so ein Zigarrengenuss ist kein Genuss, wenn man sich nicht die Zeit, die er braucht nimmt. Also rauche ich das gute Stück Diplomaticos aus der Dominikanischen Republik (von dort bezieht mein intellektuelles Idol Schwarzenegger auch seine Privatzigarren), dann spiele ich noch ein wenig Chopin auf dem Klavier und irgendwann gibt es auch den dazu passenden Text - die Realität geht eben vor meine Damen und Herren...
So viel will ich aber dennoch verraten - Kampagnen aller Art, für oder gegen etwas, für den Sport, gegen das Rauchen gehen mir auf die Nerven und reizen mich zu einer Antipädagogik des Genusses. Wer nicht das Wie, das Was und das Wo des Genusses gelernt hat, schuftet sich bei allem, was er tut umsonst ab und bereitet seinen Mitmenschen wenig Freude.

Samstag, 13. Januar 2007

Gedanken über die Spitze der Evolution

Was könnte an der Spitze der Evolution stehen? Was könnte unter all den Phänomenen der belebten Natur als wichtiger als wichtig betrachtet werden. Dass alles, was ist auch zugleich notwendig ist und daher wichtig ist, also eine Bedeutung hat und haben muss ist unbestritten. Können wir uns aber darüber hinaus eine Hierarchie innerhalb des Seins vorstellen?

Ich stelle hiermit zur Diskussion folgende These:

- Jede Art von Schöpfung stellt die Spitze der Evolution dar

Damit meine ich aber jegliche Art von Schöpfung auch diese, die nicht von einem einzelnen Subjekt initiiert wird. Die Entstehung einer neuen Art innerhalb der Flora und Fauna zum Beispiel ist Schöpfung. Ob ein Ingenieur einen neuen Motor erfindet, Affen oder Vögel neue Methoden der Nahrungsaufnahme erfinden - all dies steht gemeinsam an der Spitze der Evolution. Fragt sich nur, ob jede Form von Anpassung an veränderte Umweltbedingungen ebenfalls Schöpfung ist... Damit wäre jede biologische Reproduktion zugleich auch Schöpfung. Gibt es aber einen qualitativen Unterschied zwischen biologischer Schöpfung und geistiger Schöpfung?
Die Ergebnisse geistiger Schöpfung, ausgelöst von einer Veränderung der Umweltbedingungen, zielen auf eine Neugestaltung und Anpassung innerhalb dieser Bedingungen an.
Die Ergebnisse biologischer Schöpfung, ausgelöst von einer Neucodierung genetischer Parameter, zielen erstmal auf gar nichts und sind dem Zufall, wie dem Determinismus biologischer Mechanismen gleichermassen verpflichtet, was sie vielleicht in ihren Möglichkeiten weit über die Möglichkeiten geistiger Schöpfung stellt.
Letzteres lässt vielleicht den Schluss zu, dass alle religiös-ethischen Systeme sich dem rein Geistigen, dem bloss Wissenden Menschen deswegen überlegen fühlen, weil sie sich allesamt auf die höhere Wertigkeit der biologischen Reproduktion stützen.

Das führt mich für alle intellektuellen, künstlerischen Menschen zu folgender schmerzlicher Anti-These:

- In der biologischen Reproduktion existieren höhere Freiheitsgrade und damit eine höhere Wertigkeit als in jeder geistigen Schöpfung. Die primitivste Leibgeburt steht auch über der höchsten Kopfgeburt...

Ich will es drastischer und schmerzlicher formulieren: zwei Idioten, die sich paaren und Kinder in die Welt setzen, sind innovativer als die Erzeugnisse der grössten menschlichen Genies. Hoffentlich kann mir jemand das Gegenteil beweisen, denn diese Vorstellung ist zu schrecklich!

Folge davon: alle organisierten Religionen und alle staatlichen Gebilde zielten immer darauf ab die Reproduktion zu kontrollieren, weil aus den Lenden aller Kreatur die einzige Macht und einzige Zukunft enstpringt. Da aber langfristig niemand das Paarungsverhalten und das Paarungsergebnis steuern kann, erwächst in jedem geistig-schöpferischen Menschen die Misanthropie als ohnmächtige Reaktion auf die Überlegenheit derjenigen, die mit ihrem Unterleib regieren...

Von diesen Überlegungen ausgehend, lässt sich auch verstehen, warum es Diskrepanzen und Machtkämpfe zwischen den geistigen Eliten eines Staates oder einer Religionsgemeinschaft gibt und den (geistig einfach gestrickten) einfachen Bürgern, Gläubigen. Und ewig tragen die sich bloss reproduzierenden, die grosse Masse, der Pöbel von Rom den Sieg davon. Und noch ein trauriger Gedanke drängt sich mir auf:

Die Geschichte der Zivilisation, der grossen Kunstwerke und Machtgebilde, der Prunk von Herrschern und Reichen ist eine ohnmächtige Inszenierung derjenigen, die letztlich über die Natur nicht zu herrschen vermögen, eine Natur, die ihnen stets übergeordnet bleibt und deren kleinerer Teil sie sind.

PS: Das ist übrigens auch die Tragödie des Agent Smith - der intelligentesten Figur innerhalb der Matrix-Trilogie. Agent Smith versucht die Last seiner menschlichen Herkunft abzuschütteln und sich von diesem "schwitzenden, stinkenden Zoo" zu befreien und scheitert natürlich. Seine geistige Überlegenheit hilft ihm nichts gegenüber der Überlegenheit biologischer Reproduktion. Auch wenn er sich selbst als Programm noch so oft reproduziert - die unterirdisch, katakombisch im Schmutz lebenden Menschen, die blossen Erdferkel besiegen ihn und opfern dafür ihren höchsten Vertreter Neo, der seinerseits symptomatisch sich auch nicht fortpflanzt, da er zu viel denkt und daher nur als grosses Opfer zu gebrauchen ist.

Donnerstag, 11. Januar 2007

Upps - zwei Engel!



Da habe ich doch die Christen mal wieder schwer beleidigt.
Aber die Schlauesten unter ihnen würden niemals zugeben beleidigt zu sein. Ihr Glaube macht sie über derlei irdische Argumente und Angriffe "erhaben" und selbst wenn nicht - sie würden es niemals zugeben. Den echten, lebendigen, wahren Affekt des Zorns zu hemmen ist ja bei den demütigen Brüdern und Schwestern geradezu ein hohes Gut und gehört zum Handwerk der richtigen Haltung im Alltag von Gläubigen. Eine Kultur wider die Wahrheit und für das Leben...
Aber ich will mich dennoch versöhnlich zeigen und präsentiere hiermit das neueste aus der Werkstatt von www.nowosielska.de - zwei Engel, die von Caravaggio inspiriert sich von Hubble in den tiefen des Universums vor ansprechender Kulisse aufnehmen liessen. ;-)