Freitag, 29. Dezember 2006

Ein griechisches Mißverständnis

Die meisten meiner griechischen Mitbürger halten sich ebenso gut für Orthodoxe Christen als auch im gleichen Atemzug für patriotische Griechen. Früher hat mich dieses fundamentale Selbstmissverständnis zur Verzweiflung gebracht, mittlerweile macht es mich nur traurig und mir kommen düstere Gedanken...
Die christliche "Kultur" ist, wie bereits erwähnt, eine Kultur für jedermann. Man kann ihr voraussetzungsfrei beitreten: frei von Bildung, frei von Erfahrung, frei von Manieren - so viel ich weiss reicht die blosse Einsicht in die eigene "Unvollkommenheit", die blosse Demut vor Gottes "Wort" oder gar Gottes "Willen" und die andauernde Bereitschaft notorisch zu bereuen, so oft und so lang wie es einem beliebt, um ein "anständiger" Christ zu sein. Das bedeutet, das man selbst bar jeder Konsequenz im eigenen Handeln (nach dem Motto: ich wollte ja konsequent sein, konnte es aber nicht, weil ich so schrecklich unvollkommen bin, also schieb mir mal deine Gnade rüber...), also genaugenommen als Mensch ohne Skrupel und Gewissen, das einem bestimmte Handlungen unmöglich macht, immernoch ein "wahrer Christ" (wenn auch nicht unbedingt "guter") sein kann. Und selbst am Ende eines langen Lebens voller Betrug und Irrtümern, voller Leugnungen Gottes und unmenschlichen Verhaltens darf man immernoch auf seine unergründliche "Gnade" hoffen. So weit die christliche "Kultur"...
Nur das ist niemals griechische Kultur!
Hört ihr mich, ihr verwirrten Griechen überall?! Entkorkt eure gemütlichen orthodoxen Ohren!
Ich will euch erzählen, was griechisch ist:
- zu wissen und zu erkennen, wer man ist
- zu wissen und zu erkennen, was man kann
- zu wissen und zu erkennen, was man will und zu was es nützlich ist
- zu wissen und zu erkennen, welcher Mensch ein Freund und welcher ein Feind ist
- zu wissen und zu erkennen, was dem eigenen Leben und dem Leben der Menschen mit denen man eine Gemeinschaft bildet, hilft und was ihm schadet
- und um all dies zusammenzufassen: zu erkennen was wahr und was falsch ist, woraus sich der Begriff von Wirklichkeit zusammensetzt - aus einer Praxis des Lebens und Verstehens, aus einer Praxis, die zu ethischen Prinzipien führt, deren Überzeugungskraft weit über den Strafandrohungen der Bibel hinausgeht.
Und trotzdem: auch die gebildetsten Griechen empfinden es nicht als Peinlichkeit und Selbsterniedrigung Priestern die Hand zu küssen und brav die kirchlichen Feiertage mit allen anderen zusammen zu feiern...
Ich höre dann selbst bei kritischen Menschen Sprüche wie: "Glaube und forsche nicht." Und das aus dem Munde eines Menschen, dessen Vorfahren die Wissenschaft erfunden haben!
Denken ohne Konsequenzen zu ziehen - also folgern sie (obwohl sie die Verursacher der Sinnlosigkeit sind) Weisheit sei zu nichts nutze...
Tun, was die anderen tun, plappern nach was die anderen nachplappern, tun Dinge, weil diese Dinge schon immer so getan worden sind....
WEisheit, Freundschaft,...
Gläubige nehmen es niemals so genau mit ihrem Glauben, noch ungenauer mit der Wahrheit...
Worüber sie nicht diskutieren wollen, das stellen sie als Tatsache hin.
Was sie nicht wissen wollen

Montag, 25. Dezember 2006

An meine lieben Amateur-Ethiker auch "Christen" genannt...

Oder wie das Stockholm-Syndrom zu Rabbi Jesus kam

Ihr ahnt es vielleicht nur, ihr solltet es aber besser wissen: auch euer Glaube ist von dieser Welt!
Alle Jahre wieder beweihräuchert ihr euch damit selbst, dass "euer" Jesus (auch so eine unzulässige Inbesitzname postmortem), aus einer Ethik, die vormals nur die Liebe zu Verwandten kannte oder zu Stammesbrüdern (-schwestern) eine Ethik der Liebe zu Jedermann machte, selbst eine Liebe zu den Feinden proklamierte...
Ihr solltet wissen: niemand erfindet eine neue Ethik, ohne, dass es eine echte Notwendigkeit gibt neue Wertmaßstäbe an die Prinzipien seines Lebens zu setzen und Prinzipien haben, wie wir wissen, immer den Nutzen, das Leben zu ermöglichen und folglich, wenn sie gut genug sind, auch zu erleichtern. Eine neue Ethik ensteht ganz sicher nicht, um Menschen zu Märtyrern und toten Helden zu machen - sie dient immer der Ermöglichung und Verbesserung von Lebensbedingungen.
Zur Zeit des Herodes waren grosse Teile der jüdischen Bevölkerung verelendet. Die Menschen waren so verzweifelt, dass sie händeringend nach einem Ausweg, einer Linderung ihrer Not suchten, weil der Mensch, wie wir wissen auf den Luxus der Hoffnung, selbst im Elend nicht verzichten kann. Hoffnung ist für Arme wie für Reiche unabdingbare Grundlage aller Motivation.
Wir wissen, dass wenn die Armut gross genug ist, selbst die familiären Bindungen instabil werden und jeder nur noch gegen jeden kämpft und wenn für jeden das Verhungern droht, man niemandem mehr vertrauen kann. Woher kann nun ein Verzweifelter in so einer Situation sich noch motivieren weiter zu machen?

- Der grösste Teil der Oberschicht von Judäa kollaborierte mit der römischen Besatzungsmacht, um ihre Macht und im Gefolge sicherlich, um einen Resteinfluss auf ihre Heimat, eine Restherrschaft über ihre Landsleute aufrecht zu erhalten.
- Grosse Teile des Volkes hatten also weder Verbündete in ihren eigenen Eliten, die es aus praktischen Erwägungen betrogen, noch durften sie auf Hilfe von ihren Feinden den Römern hoffen
- Trotzdem wollten sie in dieser ausweglosen Situation einen Grund haben zu hoffen, einen Grund haben weiterleben zu wollen, um sich für dieses Weiterleben weitherhin mobilisieren zu können..
- Also produzierten sie ein halbes Jahrhundert lang aus ihren Reihen Messiase, die erschienen, um sie zu erlösen, um ihnen einen Grund zu liefern, selbst in dieser Situation weiter machen zu dürfen. Einer davon war Jesus oder sollte Jesus sein - seine Echtheit ist zweitrangig.

Als Typus wird Jesus immer wahr bleiben. Sein Typus nun hatte die Aufgabe innerhalb seiner Clientel der Verelendeten eine neue Ehtik, eine neue Motivationsgrundlage zu errichten. Wer niemanden mehr neben sich wähnt, auf den er sich verlassen kann - wozu wird ihn seine Verzweiflung, seine letzte Hoffnung treiben? Genau: er wird anfangen seinen Nächsten und sei es sein ärgster Feind zu lieben, um durch das letzte Mittel der Liebe (Besitz oder etwa Bildung gehören ja bekanntlich zur Verhandlungsmasse von Armen nicht.) seine Situation zu erleichtern. Ich nenne das die Anwendung des Stockholm-Syndroms auf ein ganzes Volk und weil es auf vielfache Weise auch auf viele andere Völker innerhalb des Römischen Imperiums zutraf, konnte diese Ethik der Ärmsten und Elenden sich im ganzen Imperium durchsetzen.
In ähnlicher Weise ist es vielleicht mit den Deutschen nach dem 2en Weltkrieg geschehen, die in der Stunde Null auch ihre jeweilige "Liebe" zu ihren ehemaligen Feinden und deren Kultur entdeckten. Seitdem schleppt sich das deutsche Geisteswesen mit geborgten Werten mehr schlecht als recht durch tiefe Täler kulturellen Mittelmasses, da man dort, wo man nichts eigenes verfolgt mit denen, die es ihr eigenes nennen, nicht konkurrieren kann und im seltensten Fall zu reüssieren weiss.
Was mir nicht gefällt: dieser verdammte Wille des Menschen sich in der unmöglichsten Situation die passende Ethik zu erschaffen, um weiter zu leben und das ist immer ein Wille sich etwas vorzumachen, sich die Realität zurecht zu lügen, weil sich selbst auf einer Lüge komfortabler schlafen lässt als auf der beruhigensten Wahrheit.
Die Wahrheit ist: es gibt keinen Grund und damit auch keine Notwendigkeit, dass das Leben existiert und dass es entstanden ist.
Folglich ist die Lüge: das Leben selbst.